Unterabschnitte


Kanonische Bewegungsgleichungen. Hamilton-Jacobische Integrationstheorie

In diesem Kapitel wird noch ein neuer Typ von Bewegungsgleichungen, die kanonischen Bewegungsgleichungen, abgeleitet werden. Diese eignen sich besonders zu allgemeinen Untersuchungen über die allgemeine Struktur der Mechanik. Die wichtigste Methode zur Lösung dieser Bewegungsgleichungen ist die der kanonischen Transformationen die es gestatten, mittels bekannter Integrale der Bewegung die Ordnung des Differentialgleichungssystems zu erniedrigen. Die Hamilton-Jacobische Theorie gibt ein allgemeines Verfahren zum Auffinden von solchen kanonischen Transformationen, die es im Prinzip gestatten, die Bewegungsgleichungen vollständig zu lösen.


Kanonischer Impuls. Kanonische Bewegungsgleichungen

Die Newtonschen Bewegungsgleichungen sind am Anfang in kartesischen Koordinaten angegeben worden. Die Geometrie des Kraftfeldes oder das Bestehen von Nebenbedingungen, die die Bewegungsfreiheit der Massenpunkte einschränken, legen oft die Verwendung von krummlinigen Koordinaten nahe. Diese Transformationen der abhängigen Variablen

$\displaystyle x_i$ $\displaystyle =$ $\displaystyle x_i(q_k), \qquad i  =  1,2,..., 3N ;$  
$\displaystyle q_k$ $\displaystyle =$ $\displaystyle q_k(x_i), \qquad k  =  1,2,..., f \leq 3N .$ (121)

die das mechanische System beschreiben, heißen Punkttransformationen. Die zugehörigen Bewegungsgleichungen sind die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art, Gl. (11.38). Für die Einführung eines neuen Typs von Bewegungsgleichungen, der kanonischen Bewegungsgleichungen, sprechen gewisse Gründe mathematischer Symmetrie. Die Newtonschen Bewegungsgleichungen und die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art betreffen immer zweite Ableitungen der Teilchenkoordinaten, die Beschleunigungen, während der mechanische Zustand der Systems durch die Koordinaten und Geschwindigkeiten vollständig beschrieben wird. Die neuen Gleichungen werden direkt die zeitliche Änderung der Koordinaten und Impulse beschreiben.

Ein weiterer Grund betrifft die Lösungsmöglichkeiten: Will man bekannte Integrale der Bewegung zur Lösung der Bewegungsgleichungen bzw. zur Verringerung deren Grades benützen, so reichen die Transformationen (12.1) nicht aus. Denn diese Integrale der Bewegung, wie z.B. Drehimpuls oder Gesamtenergie, hängen auch von den Geschwindigkeiten oder Impulsen ab. Transformationen für solche Größen müssen daher allgemeiner sein als die obigen Koordinatentransformationen (12.1). Diese allgemeineren Transformationen, die auch die Impulse erfassen, heißen kanonische oder Kontaktransformationen. Diese werden auf die kanonischen Bewegungsgleichungen angewendet.

Die kanonischen Bewegungsgleichungen werden aus dem Hamiltonschen Prinzip (Gl. (11.81))

$\displaystyle \delta \int_{t_0}^{t_1}{\cal L}(q_k,\dot{q}_k,t)  dt  =  0$ (122)

abgeleitet. Dieses Variationsprinzip wird gemäß einem allgemeinen Verfahren auf kanonische Form gebracht. Dazu werden in Gl. (12.2) die verallgemeinerten Geschwindigkeiten, $ \dot{q}_k$, durch neue Variable, $ k_k$, ausgedrückt mittels der folgenden Substitution (Legendretransformation):

$\displaystyle k_k  :=  \dot{q}_k  .
$

Wenn die $ k_k$ in das Hamiltonschen Prinzip (12.2) eingeführt werden, muß der obige Zusammenhang zwischen $ k_k$ und den verallgemeinerten Geschwindigkeiten durch Nebenbedingungen berücksichtigt werden
$\displaystyle \delta \int_{t_0}^{t_1}{\cal L}(q_k,k_k,t)  dt$ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0 ;$  
$\displaystyle \dot{q}_k  -  k_k  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0  , \quad k = 1,2, \dots , f .$  

Die Nebenbedingungen werden mittels Lagrangescher Multiplikatoren $ \lambda_k$ in das Variationsprinzip aufgenommen (vgl. in Kapitel 11 im Anhang A Gln. (A.16) bis (A.18)):
  $\displaystyle \delta \int_{t_0}^{t_1} \left[ {\cal L}(q_k,k_k,t)  + \
\sum_{\...
...a=1}^f  \lambda_\alpha  (\dot{q}_\alpha  -  k_\alpha) \right]  dt  =  0;$    
  $\displaystyle \delta \int_{t_0}^{t_1}F^* (q_k,k_k,\lambda_\alpha;\dot{q}_k;t)  dt =  0.$   (123)

Die Eulerschen Gleichungen für dieses Variationsprinzip sind:

\begin{displaymath}\begin{array}{ccccccc} \frac{\partial F^*}{\partial q_k} & - ...
...da}_k} & = & \dot{q_k}  -  k_k & = & 0. \nonumber \end{array}\end{displaymath}    

Von diesen wird zunächst nur der mittlere (unterstrichene) Satz herausgegriffen:

$\displaystyle \lambda_k  =  \frac{\partial {\cal L}}{\partial k_k}.$ (124)

Die Lagrangefunktion für ein konservatives mechanisches Problem bzw. für eines mit verallgemeinertem Potential für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld ist

$\displaystyle {\cal L}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  -  U,$ (125)
$\displaystyle {\cal L}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  -  U  -  M.$ (126)

Wegen

$\displaystyle \dot{x}_i  =  \sum  \frac{\partial x_i}{\partial q_k}  \dot{q}_k$ (127)

ist

\begin{displaymath}\begin{array}{rcll} T & = & \frac{1}{2} \sum_i  m_i  \dot{x...
... & \quad \mbox{unabh\uml {a}ngig von}  \dot{q}_k . \end{array}\end{displaymath} (128)

Gemäß Gleichungen (12.4) wird nun als Definition des kanonischen Impulses eingeführt:

$\displaystyle \lambda_k  =  p_k  :=  \frac{\partial {\cal L}}{\partial k_k}  =  \frac{\partial {\cal L} }{\partial \dot{q}_k}.$ (129)

$ p_k$ heißt kanonisch konjugiert zu $ q_k$. $ p_k$, $ q_k$ bilden ein kanonisch konjugiertes Variablenpaar. Die Gln. (12.9) bilden ein lineares Gleichungssystem in den $ k_k$; dieses hat eine eindeutige Lösung, wenn die Funktionaldeterminante

   det$\displaystyle \left(\frac{\partial^2 {\cal L}}{\partial k_j  \partial k_k} \right)  \neq  0.
$

Der Fall, wo diese Determinante Null ist, heißt ausgeartet und ist unwichtig. Die Lösungen von (12.9) werden benützt, um die $ k_k$ im Variationsprinzip (12.3) durch $ p_k$ und $ q_k$ auszudrücken. Ebenso werden für $ \lambda_k$ die kanonischen Impulse (12.9) eingesetzt.

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} & \delta \int\limits_{t_0}^{t_1} \Big[ {\c...
...mits_{k=1}^f p_k  \dot{q_k} \Big]   dt  =  0. & \end{array}\end{displaymath} (1210)

Führt man in die letzte Gleichung die folgende Funktion (Hamiltonfunktion) ein

$\displaystyle H \big( p_i,q_i,t \big)  :=  \sum_{k=1}^f p_k  k_k (p_i,q_i,t)  -  {\cal L} \big( q_k,k_k(p_j,q_j,t),t \big)$ (1211)

entsteht dabei ein zu Gl. (12.2) für die Zwecke der Mechanik äquivalentes Variationsprinzip in kanonischer Form

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} & \delta \int\limits_{t_0}^{t_1} \Big[ \su...
...{t_1} \hat{F} (p_k,q_k;\dot{q}_k;t)  dt  =  0. & \end{array}\end{displaymath} (1212)

Dies ist die einfachste Form, die ein solches Variationsprinzip annehmen kann. Es treten nur die Ableitungen der einen Reihe von Variablen auf, auch diese nur linear. Die Eulerschen Gleichungen dieses Variationsprinzips

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccccc}
\frac{\partial \hat{F}}{\partial q_k}...
...{dt}  -  \frac{\partial H}{\partial p_k} & = & 0,
\end{array}\end{displaymath}

sind die Hamiltonschen oder kanonischen Bewegungsgleichungen:

$\displaystyle \fbox{ $ \begin{array}{lcr} \dot{p}_k &=& -  \frac{\partial H}{\...
...,  [3mm] \dot{q}_k &=& \quad \frac{\partial H}{\partial p_k} . \end{array} $}$ (1213)

Die vorhergehende Ableitung wird nochmals in Form eines Kochrezepts zusammengefaßt: Aus der Lagrangefunktion

$\displaystyle {\cal L}(q_k,\dot{q_k},t)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  -  U$   oder  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  T -  U  -  M$  

werden die kanonischen Impulse gem. Definition (12.9) gebildet und nach den verallgemeinerten Geschwindigkeiten aufgelöst. Letztere werden in die Definition der Hamiltonfunktion (E.: Hamiltonian) (12.11) eingesetzt:

$\displaystyle \fbox{ $ \begin{array}{lcr} && p_k  := \frac{\partial \cal L}{\p...
... \sum_k  p_k  \dot{q}_k  -  {\cal L}(q_k, \dot{q}_k , t). \end{array} $ }$ (1214)

Die Größe (12.9) wird als kanonischer Impuls bezeichnet, weil in einfachen Fällen, z.B. in

$\displaystyle {\cal L}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{m}{2}  \left( \dot{x}^2  +  \dot{y}^2  +  \dot{z}^2  \right)
 -  U(x,y,z):$  
$\displaystyle p_i  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial \cal L}{\partial \dot{x}_i}  =  m  \dot{x}_i  ,$  

der kanonische Impuls gleich dem gewöhnlichen linearen mechanischen Impuls (3.17) ist. Dies ist aber nicht immer so. Z.B. für das Zentralkraftproblem in Kugelkoordinaten ergibt sich
$\displaystyle {\cal L}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  -  U  = \
\frac{m}{2}  v^2  -  U(r)  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \left( \dot{r}^2  +  r^2  \dot{\vartheta}^2  + \
r^2  \sin\vartheta  \dot{\varphi}^2  \right)  -  U(r);$  

\begin{displaymath}
\begin{array}{rclclcrcl}
p_r  &=&  \frac{\partial \cal L}{...
...t{\varphi} &=&
p_\varphi /(m r^2 \sin^2\vartheta) .
\end{array}\end{displaymath}

$ p_\vartheta $ und $ p_\varphi $ haben nicht mehr die Dimension von Impulsen. Die Hamiltonfunktion
$\displaystyle H  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  p_r \dot{r}  +  p_\vartheta  \dot{\vartheta}
 +   p_\varphi  \dot{\varphi}   -   { \cal L} =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{p_r^2}{m}  +  \frac{p_\vartheta^2}{m r^2}  + \
\frac{p_\varphi^2}{m r^2 \sin^2\vartheta}  -$  
    $\displaystyle -  \frac{m}{2}  \left[ \left( \frac{p_r}{m} \right)^2  + \
r^...
...\left( \frac{p_\varphi}{m r^2 \sin^2\vartheta} \right)^2 \right]
 +  U(r)  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2m}  \left( p_r^2  +  \frac{p_\vartheta^2}{r^2}
 +  \frac{p_\varphi^2}{r^2 \sin^2\vartheta} \right)  +  U(r)
 =  T  + U  =  E$  

ist gleich der Gesamtenergie $ E$. In §12.1.1 wird gezeigt, daß dies ziemlich allgemein gilt. Die Hamiltonschen Gleichungen sind:

\begin{displaymath}
\begin{array}{lcrclcr}
\dot{p}_r &=&  -  \frac{\partial H}...
...arphi} &=&  \frac{\partial H}{\partial p_\varphi}.
\end{array}\end{displaymath}

Mit ihrer Lösung werden wir uns erst später beschäftigen.


Die physikalische Bedeutung der Hamiltonfunktion

Wir betrachten eine Lagrangefunktion mit gewöhnlichem mechanischem Potential:

$\displaystyle {\cal L }  =  T  -  U(q_k), \quad \Rightarrow \quad \frac{\partial U}{\partial \dot{q}_k}  =  0.$ (1215)

Gemäß Gl. (12.8) ist die kinetische Energie $ T$ eine homogene quadratische Form in den $ \dot{q}_k$. Nach dem Eulerschen Satz für homogene Formen (s. §12.1.3) gilt daher:

$\displaystyle \sum_k  \frac{\partial T}{\partial\dot{q}_k}  \dot{q}_k  =  2  T.$ (1216)

Wegen (12.15) gilt weiter:

$\displaystyle p_k  =  \frac{\partial \cal L }{\partial \dot{q_k}}  =  \frac{\partial T}{\partial\dot{q}_k} .
$

Setzt man obige Resultate in die Definition der Hamiltonfunktion Gl. (12.11) ein, so folgt
$\displaystyle H  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k   p_k  \dot{q}_k  -  { \cal L }  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k
\frac{\partial T}{\partial \dot{q}_k}  \dot{q}_k  -  {\cal L}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle 2  T  -  (T  -  U )  =  T  +  U  =  E  ;$  
$\displaystyle H(p_k,q_k,t)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle E .$ (1217)

Wenn die Terme der Hamiltonfunktion die in Gln. (12.8) aufgelisteten Eigenschafen haben, dann ist Hamiltonfunktion gleich der Gesamtenergie des Systems, ausgedrückt durch die verallgemeinerten Koordinaten und kanonisch konjugierten Impulse. Ein Gegenbeispiel: In rotierenden Bezugssystemen ist die Hamiltonfunktion von der Gesamtenergie verschieden.


Die Hamiltonfunktion für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld

Die Lagrangefunktion für dieses Problem ist (s. Gl. 11.46)

$\displaystyle { \cal L }  =  T  -  U  -  M
$

Gemäß (12.8) ist die kinetische Energie $ T$ eine homogene quadratische Form in den $ \dot{q}_k$ ;
$ M - e \Phi  =  -e (\vec{v} \cdot \vec{A}) $ ist eine lineare homogene Form in den $ \dot{q}_k$. Das mechanische Potential $ U$ und das elektrische Potential $ \Phi $ sind von den $ \dot{q}_k$ unabhängig. Nach dem Eulerschen Satz für homogene Formen (s. §12.1.3) gilt:
$\displaystyle \sum_k \frac{\partial T}{\partial \dot{q}_k}  \dot{q}_k  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  2  T ;$  
$\displaystyle \sum_k \frac{\partial (M - e \Phi)}{\partial \dot{q}_k}  \dot{q}_k  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
\sum_k \frac{\partial M}{\partial \dot{q}_k}  \dot{q}_k  = \
M  -  e \Phi .$  

Damit geht man in die Definition der Hamiltonfunktion
$\displaystyle H  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k p_k \dot{q}_k  -  { \cal L }  = \
\sum_k \frac{\partial (T  -  U  -  M )}{\partial \dot{q}_k}  \dot{q}_k
 -  {\cal L}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \
\sum_k \dot{q}_k \frac{\partial T}{\partial \dot{q}_k}  - \
\sum_k \dot{q}_k \frac{\partial M}{\partial \dot{q}_k}  -  { \cal L}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  2  T  -  (M  -  e \Phi)  -  (T  -  U  -  M)  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  +  U  +  e \Phi.$  
$\displaystyle H(p_k,q_k,t)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  +  V  =  E  ; \qquad V  =  U  +  e \Phi .$  

Auch hier ist die Hamiltonfunktion gleich der Gesamtenergie. Die potentielle Energie $ V$ enthält das mechanische Potential $ U$ und das skalare elektrische Potential $ \Phi $ multipliziert mit der Ladung $ e$.

In kartesischen Koordinaten ist die Lagrangefunktion für ein Teilchen in einem elektromagnetischen Feld gegeben durch:

$\displaystyle {\cal L}  =  \frac{m}{2}  \sum_i \dot{x}_i\dot{x}_i  + \
e\sum_i \dot{x}_i A_i  -  e \Phi  .
$

Damit erhält man für den kanonischen Impuls und die Geschwindigkeit:
$\displaystyle p_k  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial \cal L}{\partial \dot{x}_k}  = \
m  \dot{x}_k...
...quad \Rightarrow \quad
\dot{x}_k  =  \frac{1}{m} \big( p_k  -  e A_k \big).$  

Hier unterscheidet sich der kanonische Impuls vom linearen sogar um einen zusätzlichen Term ! Mit den obigen Ausdrücken geht man in die Gl. (12.11) ein und erhält für die Hamiltonfunktion:

$\displaystyle H  =  T  +  e \Phi  =  \frac{m}{2}  \sum_k  \dot{x}_k\dot...
...Phi  =  \frac{1}{2m}  \sum_k  \big( p_k  -  e A_k \big)^2
 +  e \Phi .
$

Die Hamiltonfunktion für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld ist also:

$\displaystyle \fbox{\parbox{7.5cm}{\begin{displaymath}H  = \frac{1}{2m}  \sum_k  \big( p_k  -  e A_k \big)^2  +  e \Phi . \end{displaymath}}}$ (1218)


Das Eulersche Theorem für homogene Formen

Eine Funktion mehrerer Variabler $ F(x_1, x_2, ..., x_n)$ heißt eine homogene Form, wenn sie nachfolgende Bedingung erfüllt:

$\displaystyle F(t x_1, t x_2, ..., t x_n)  =  t^\nu  F(x_1, x_2, ..., x_n), \qquad \nu  \in  {\mathbb{R}} .
$

Z.B. ist das folgende Polynom

$\displaystyle F(x_1, x_2, ..., x_n)  :=  \sum_{i,k}  a_{ik}  x_i x_k
$

eine homogene quadratische Form (oder eine homogene Form vom Grade 2);

$\displaystyle F(x_1, x_2, ..., x_n)  :=  \frac{1}{ \sqrt{ \sum_{i,k}  a_{ik}  x_i x_k}}
$

eine homogene Form vom Grade $ -1$. Der Ausdruck muß also kein Polynom, nicht einmal eine rationale Funktion sein.

Der Satz von Euler lautet: Eine homogene Form vom Grade $ \nu$ erfüllt folgende Beziehung:

$\displaystyle \sum_i  x_i  \frac{\partial F}{\partial x_i}   =   \nu  F.$ (1219)

Der Beweis ist einfach: Man setzt $ y_i := x_i t$ und bildet die totale Ableitung nach der Variablen $ t$ unter Benutzung der Kettenregel der Differentiation:
$\displaystyle \frac{d}{dt}  F(y_1, y_2, ..., y_n)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \underline{
\sum_i  \frac{\partial F(y_1, y_2, ..., y_n)}{\partial y_i}  x_i }  =$  
$\displaystyle =  \frac{d}{dt}  t^\nu  F(x_1, x_2, ..., x_n)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \underline{
\nu  t^{\nu - 1}  F(x_1, x_2, ..., x_n)} .$  

Setzt man abschließend in den unterstrichenen Teilen $ t = 1$, ergibt sich die obige Formel.

Der Phasenraum

Der Phasenraum (E. phase space) ist der reelle $ 2f$-dimensionale Raum der Koordinaten $ p_k,  q_k$ . In diesem entspricht der Bewegung eines Systems eine Raumkurve dargestellt durch die $ 2f$ Funktionen

$\displaystyle p_k (t),  q_k (t),$ (1220)

die Lösungen der das System bschreibenden Bewegungsgleichungen zu den vorgeschriebenen Anfangsbedingungen. Diese Raumkurve heißt die Phasenbahn (E. phase trajectory). Durchlaufen die Anfangsbedingungen alle für das System zuläßigen Werte, überstreicht die entstehende Kurvenschar den ganzen Phasenraum. Für ein ungebundenes System von $ N$ Teilchen im dreidimensionalen Ortsraum ist der Phasenraum $ 6N$-dimensional.

Schreibt man die kanonischen Gleichungen (12.13) als Differenzengleichungen, so bekommt man:

\begin{displaymath}
\begin{array}{lcrcrcl}
\dot{p}_k &=& -  \frac{\partial H}{...
...uad \frac{\partial H}{\partial q_k}  \Delta t .
\end{array}
\end{displaymath}

Die Inkremente $ \Delta p_k , \Delta q_k$ geben den Zuwachs der Phasenkurve, weisen also auf die nächste Zukunft des Systems. In diesen Gleichungen werden die Inkremente der Variablen, die den Zustand des Systems beschreiben, durch Funktionen eben dieser Variablen ausgedrückt. Der augenblickliche Zustand eines Teilchens oder eines Systems ist durch die Anfangsbedingungen, also durch die Lage und die Geschwindigkeit ($ \propto $ Impuls) festgelegt. Die kanonischen Bewegungsgleichungen geben die Änderungen dieser Größen und benötigen keine weiteren. Daher sind die kanonischen Bewegungsgleichungen symmetrischer als die Newtonschen Bewegungsgleichungen, die die Beschleunigung, also noch eine weitere Größe, benötigen.

Der Phasenraum gestattet oft einen Überblick über die verschiedenen Typen von Bewegungen eines Systems. Er ist daher für viele dynamische Untersuchungen von Teilchenbewegungen in Beschleunigern, in der Astronautik und in der statistischen Mechanik sehr zweckmäßig. Die Tatsache, daß unsere Vorstellung auf den dreidimensionalen Raum beschränkt ist, ist ein Handikap (bei 2 Freiheitsgraden ist der Phasenraum bereits vierdimensional!). Doch genügen für viele Zwecke Projektionen des Phasenraums auf eine zweidimensionale Ebene. Diese Verwendung des Phsenraums soll an einigen Beispielen vorgeführt werden.


Der eindimensionale harmonische Oszillator

Aus der Lagrangefunktion erhält man den kanonischen Impuls. Damit bildet man die Hamiltonfunktion

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} {\cal L}  &=&  T  -  U  =  \frac{m}{...
...{p^2}{2m}  +  \frac{m \omega^2}{2}  q^2  =  E. \end{array}\end{displaymath} (1221)

Aus den Hamiltonschen Gleichungen

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} \dot{p}  &=&  -  \frac{\partial H}{\par...
...\frac{\partial H}{\partial p}  =  \frac{p}{m}  , \end{array}\end{displaymath} (1222)

erhält man durch Elimination von $ p$ wieder die Schwingungsgleichung mit der allgemeinen Lösung:

$\displaystyle x  =  A  \cos (\omega t)  +  B \sin (\omega t) .
$

Zur Anfangsbedingung:
$\displaystyle t = 0:$ $\displaystyle x  =  x_0  =  A,$ $\displaystyle \dot{x}  =  0  =  B;$  
$\displaystyle  \Rightarrow$ $\displaystyle E  =  \frac{ m \omega^2 }{2}  x_0^2,    $ $\displaystyle x_0  =  \sqrt{\frac{2 E}{m \omega^2}}  .$  

gehört folgende Phasenbahn:

\begin{displaymath}\begin{array}{ccccccc} q & = & x & = & A  \cos (\omega t) & ...
...omega t) & = & -  \sqrt{2 m E}  \sin (\omega t) . \end{array}\end{displaymath} (1223)





$\displaystyle \hspace*{70mm}
\left( \frac{p}{ \sqrt{2 m E} } \right)^2  + \
\left( \frac{q}{\sqrt{2 E / m \omega^2}} \right)^2  =  1.
$

Abbildung 12.1: Die Phasenbahnen des eindimensionalen Harmonischen Oszillators.
\includegraphics[width=6.5cm]{K12A1}

Diese ist in der $ q, p$-Ebene eine Ellipse, auf der der den augenblicklichen Zustand des Systems beschreibende Phasenpunkt während einer vollen Periode $ T = 2\pi / \omega $ einmal herumläuft (Abb. 12.1). Jedem Energiewert $ E$ entspricht eine mit den anderen konzentrische Ellipse mit den Halbachsen $ \sqrt{\frac{2 E}{m \omega^2}} $ und $ \sqrt{2 m E} $. Da in vielen Fällen nur die Phasenbahn als ganzes, nicht aber der zeitliche Ablauf interessiert, ist es nicht nötig, die Bewegungsgleichungen zu lösen; denn die Phasenkurve selbst folgt bereits aus dem Energiesatz (12.21).

Die Energie ist erhalten. Dies ist der Grund, daß die Phasenbahn nur einen eindimensionalen Teilraum der zweidimensionalen Phasenebene, die eben erwähnte Ellipse ausfüllt. Wäre die Energie nicht erhalten, sondern ginge sie ständig verloren, dann würden die Halbachsen der Phasenellipse ständig schrumpfen. Die Phasenbahn würde dann das Innere der zum Anfangswert $ E_0$ gehörigen Ellipse spiralig ausfüllen.


Das mathematische Pendel

Die kinetische Energie, die potentielle Energie (hier ist aber die z-Achse parallel zur Erdbeschleunigung gerichtet, s. Abb. 12.2) und die Lagrangefunktion sind unten angegeben. Daraus folgen der kanonische Impuls $ p$ und die Hamiltonfunktion $ H$. Die Lagekoordinate ist $ q = \varphi $ .

$\displaystyle T  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{m}{2}  \ell^2 \dot{\varphi}^2  ; \qquad
U  =  -  mg  z  =  -  mg  \ell  \cos\varphi ;$  
$\displaystyle {\cal L}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  T  -  U  =  \frac{m}{2}  \dot{\varphi}^2  +  mg \ell  \cos\varphi ;$  
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial \cal L}{\partial \dot{\varphi}}  =  m \ell^2  \dot{\varphi}  ;$  
$\displaystyle H(p,q)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  p \dot{\varphi}  -  {\cal L}  =  \frac{p^2}{2m \ell^2}  -
 mg \ell  \cos\varphi  =  E ;$  
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \pm  \sqrt{2m \ell^2} \sqrt{E  +  mg \ell  \cos\varphi}.$  

Aus der Hamiltonfunktion (= der Gesamtenergie E) können die verschiedenen Phasenbahnen gefunden werden. In der Tabelle sind diese aufgelistet und in Abb. 12.2 eingezeichnet. $ E = - mg $ ist der kleinstmögliche Energiewert; das Pendel ist in Ruhe. Diesem Zustand entspricht der Mittelpunkt des Diagramms ($ q = p = 0$); er heißt das Librationszentrum. Für $ - mg < E < mg$ schwingt das Pendel. Die Phasenbahnen sind geschlossene Kurven, die vom Phasepunkt in der angegebenen Richtung durchlaufen werden. Dieser Bewegungstyp heißt Libration. Für $ E = mg$ reicht der mögliche Variationsbereich der Lagekoordinate $ \varphi$ von der Vertikalen ( $ \varphi = \pm \pi $) bis wieder zur Vertikalen. Die Schwingungsdauer ist aber unendlich. Deswegen durchläuft der Phasenpunkt in Abb. 12.2 nur einen Teil des oberen oder des unteren Asts der durch $ \pi$ und $ -\pi$ gehenden Phasenbahn. Diese Limitationsbewegung trennt die Schwingungen von den Rotationen des Pendels, die für $ E > mg$ eintreten. Letzteren entsprechen die wellenförmigen Kurven ausserhalb der Separatrix im Phasenraumdiagramm, Abb. 12.2. Dieser Bewegungstyp heißt Nutation. Vom Standpunkt der Schwingungen kann man die Librationsbewegung als stabil betrachten, die Nutation als instabil. Die der Limitationsbewegung entsprechende Phasenkurve trennt das stabile Gebiet vom instabilen und heißt daher die Separatrix.

Abbildung 12.2: Die Phasenbahnen des mathematischen Pendels. Notebook: K12WPlot.nb.
\includegraphics[height=5cm]{K12A2}


Die Typen der Bewegung des mathematischen Pendels
$ E = - mg\ell $ $ p  \equiv  0, \hspace{40mm} \varphi  \equiv  0. $ Ruhe Librations-
-zentrum
$ E \ll mg\ell $ $ E + mg\ell = \frac{p^2}{2m\ell^2} + \frac{mg\ell}{2} \varphi^2 , \hspace{20mm}
\vert\varphi\vert \le \varphi_0 \ll 1. $ harmonische Libration
Schwingung
$ E < mg\ell $ $ 0 \le \vert p\vert \le \sqrt{2m\ell^2} \sqrt{E + mg\ell} ,  \
- \arccos\frac{-E}{mg\ell} \le \varphi \le \arccos\frac{-E}{mg\ell}. $ anharmonische Libration
Schwingung
$ E = mg\ell $ $ 0 \le \vert p\vert \le 2m \sqrt{g \ell^3}, \hspace{28mm} - \pi \le \varphi \le \pi. $ Grenzfall Limitations-
Separatrix bewegung
$ E > mg\ell $ $ \sqrt{2m\ell^2} \sqrt{E - mg\ell} \le \vert p\vert \le \sqrt{2m\ell^2} \sqrt{E + mg\ell} ,  \
- \infty \le \varphi \le \infty . $ Rotation Nutation

Das Zentralkraftproblem

Wir betrachten ein Teilchen im Feld einer anziehenden Zentralkraft. Wir benützen Polarkoordinaten in der Bahnebene. Die zugehörige Hamiltonfunktion findet man aus der für Kugelkoordinaten (Beispiel am Ende von §12.1) mittels der Spezialisierung $ \vartheta = \pi /2$:

$\displaystyle U(r)  $ $\displaystyle \le$ $\displaystyle  0, \qquad U(\infty)  =  0 ;$  
$\displaystyle H  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{1}{2m}  \left( p_r^2  +  \frac{p_\varphi^2}{r^2} \right)  +  U(r)  =  E;$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{1}{2m}  \left( p_r^2  +  \frac{L^2}{r^2} \right)  +  U(r)  =  E;$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{1}{2m}  p_r^2 \quad + \quad \bar{U}(r) \qquad =  E.$  

Der Drehimpuls ist konstant, $ p_\varphi  =  L $ = const., die Bewegung ist eben. Man kann die Betrachtung im Ortsraum auf die Bahnebene beschränken. Der Phasenraum $ p_r , p_\varphi , r, \varphi $ ist vierdimensional. Einen Überblick über die verschiedenen Bewegungstypen erhält man, wenn man für fixen Drehimpuls $ L$ das Potential $ U$ und das Zentrifugalpotential $ L^2 /2mr^2 $ , deren Summe zum Pseudopotential $ \bar{U} $ zusammengefaßt wird, aufträgt (Abb. 12.3(a)). Für $ E = E_0 $ halten sich Fliehkraft und anziehende Kraft das Gleichgewicht, die Bahn ist ein Kreis vom Radius $ r_0$. Diesem entspricht im Phasenraum das Librationszentrum.
Abbildung: Phasenraumprojektion und Bahnkurve im Ortsraum für das Zentralkraftproblem (vgl. auch Abb. 5.1).
[] \includegraphics[scale=0.83]{k12_zentr_kraft_pot} [] \includegraphics[scale=0.83]{k12_phasenraumproj_zentrpot} [] \includegraphics[scale=0.83]{k12_bahnkurve_zentrpot}

Für $ E_1  < E_G  =  0 $ ist die Bewegung auf einen Kreisring beschränkt, dessen Grenzen $ r_1 $ und $ r_2 $ aus dem obigen Ausdruck für die Gesamtenergie für $ p_r  =  0 $ folgen. $ E_3  >  E_G  =  0 $ entspricht ungebundener Bewegung $ r_1  \le  r  \le  \infty $. Bei der Projektion des vierdimensionalen Phasenraumes auf die $ r,p_r$-Ebene (Abb. 12.4) erhält man geschlossene Kurven (Librationsbewegung) für $ E  <  E_G$. Die Separatrix für $ E_G$ erstreckt sich bis ins Unendliche, ebenso alle Phasenbahnen mit $ E  >  E_G $. In der $ r,\varphi$-Ebene (Abb. 12.3(c)) sieht man die wahre Bahn. Doch kann man diese nur für einen festen Energiewert aufzeichnen. Außerdem erfordert dies die Lösung der Bewegungsgleichungen. Dagegen kann man die Diagramme, Abb. 12.3(a) und 12.3(b), direkt aus dem Energiesatz ableiten und in ihnen für alle Energien die wesentlichen Eigenschaften der Bahn einzeichnen.

Wichtige praktische Anwendungen derartiger Betrachtungen im Phasenraum liegen in der Astronautik. Ein Raumschiff, das vom Mond zur Erde zurückkehrt, darf nicht zu langsam und nicht zu flach auf den terrestrischen Luftmantel auftreffen, sonst wird es auf Niewiederkehr in den Weltraum reflektiert. Wenn es zu schnell oder zu steil auftrifft, wird die Luftreibung es mehr als zulässig erhitzen. Das sind im Phasenraum Bedingungen für minimale und maximale Geschwindigkeit und Auftreffwinkel, die ein ''Fenster'' vorschreiben, durch das die Phasenbahn des rückkehrenden Raumschiffes geführt werden muß.

Darstellung im Phasenraum für Vielteilchensysteme

Die kanonischen Koordinaten der $ N$ gleichen Teilchen eines Systems werden geschrieben als:

$\displaystyle p_k^\alpha , q_k^\alpha ; \qquad \alpha = 1,.....,N; \quad k = 1,.....,f .
$

$ f$ ist der mechanische Freiheitsgrad jedes Teilchens. Der zugehörige Phasenraum hat die Dimension $ 2fN$ und heißt $ \Gamma $-Raum. In ihm wird der momentane Zustand des gesamten Systems von $ N$ Teilchen durch einen Phasenpunkt gegeben, der längs der Phasenkurve läuft. Eine derartige Darstellung ist fast immer derart kompliziert, daß sie praktisch selten angewendet wird. Üben die $ N$ (gleichen) Teilchen eines Systems keine Kräfte aufeinander aus oder werden diese vernachläßigt, dann bewegt sich jedes Teilchen unabhängig von den anderen in seinem 2f-dimensionalen Teilraum des gesamten Phasenraumes. Die Hamiltonfunktion des Gesamtsystems ist eine Summe aus separierten Termen:

$\displaystyle H_{Ges}  =  \sum_{\alpha=1}^N  H^\alpha (p_k^\alpha , q_k^\alpha) ,
$

in der jeder Summand nur von den Koordinaten eines Teilchens abhängt. Man kann dann alle diese $ N$ $ 2f$-dimensionalen Teilräume des Phasenraumes in einen einzigen 2f-dimensionalen Phasenraum ( $ \mu $-Raum) projizieren, in dem jetzt $ N$ Phasenpunkte auf $ N$ Phasenbahnen den momentanen Zustand des Systems darstellen; s. Abb. 12.4. Jeder diese Phasenpunkte bewegt sich unabhängig von den anderen.


Vergleich des $ \mu $-Raums mit dem $ \Gamma $-Raum für ein System
von $ N$ Teilchen mit je $ f$ Freiheitsgraden


Phasenpunkte Phasenbahnen Dimension
$ \Gamma $-Raum 1 1 2Nf
$ \mu $-Raum N N 2f

Abbildung: Die Projektion der Teilräume des $ \Gamma $-Raumes in den $ \mu $-Raum für ein System von 5 eindimensionalen Harmonischen Oszillatoren. Das Bild ist nur insofern nicht stimmig, als die Teilräume orthogonal sind.
\includegraphics[width=7.5cm]{K12A4}
Abbildung: $ \mu $-Raum für ein System vieler eindimensionaler Harmonischer Oszillatoren. a) Links: Diese schwingen unabhängig voneinander mit fast gleicher Energie, aber mit statistisch verteilten Phasen. b) Rechts: Diese schwingen mit fast gleicher Energie und nahezu gleicher Phase (kohärent).
\includegraphics[width=12.5cm]{K12PhPoi}

Z.B. ein System von $ N$ eindimensionlen Oszillatoren kann dargestellt werden wie in Abb. 12.4. In Abb. 12.5(a) haben die Oszillatoren nahezu gleiche Gesamtenergie $ E$, aber ihre momentanen Lagen sind über alle Möglichkeiten statistisch verteilt. In Abb. 12.5(b) haben die Oszillatoren nicht nur gleiche Energie, sondern sie schwingen auch nahezu kohärent (Modell für Laser).

Die statistische Mechanik benützt diese Beschreibung; sie liefert gewissermaßen eine ''Hydromechanik der Flüssigkeit der Phasenpunkte'' im $ \mu $-Raum.

Anwendung in der Physik der Teilchenbeschleuniger

Wird nachgetragen !


Der Energiesatz

Die Hamiltonfunktion eines Systems ist gleich dessen Gesamtenergie (vgl. § 12.1.1 und §12.1.2). Ist das System konservativ, dann ist die Hamiltonfunktion zeitlich konstant. Hängen das mechanische Potential $ U$ (Gl. (12.5)) und das Potential des elektromagnetischen Feldes $ M$ (Gl. (12.6)) nicht explizit von der Zeit ab, dann folgt aus der Definition der Hamiltonfunktion, Gl. (12.11),

$\displaystyle \frac{\partial \cal L}{\partial t}  =  0 \quad \Longrightarrow \quad \frac{\partial H}{\partial t}  =  0 .$ (1224)

Die totale Zeitableitung der Hamiltonfunktion ist:

$\displaystyle \frac{dH}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k \left( \frac{\partial H}{\partial q_k}  \dot{q}_k \quad...
...al H}{\partial p_k}  \dot{p}_k \right)  +  \frac{\partial H}{\partial t}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k \left( \frac{\partial H}{\partial q_k}  \frac{\partial ...
...partial p_k}  \frac{\partial H}{\partial q_k} \right)  + \quad 0 \quad =  0.$ (1225)

Die partielle Ableitung ist Null gemäß Gl. (12.24); die Summe verschwindet nach Einsetzen der Hamiltonschen Bewegungsgleichungen (12.13). Integration ergibt den Energiesatz:

$\displaystyle H(p_k, q_k)  =  E .$ (1226)


Zyklische Variable und Integrale der Bewegung

Tritt eine Variable, z.B. $ q_r$, die das System beschreibt, in der Lagrangefunktion nicht auf, heißt sie zyklisch.

$\displaystyle \frac{\partial \cal L}{\partial q_r}  =  0 \quad \Longrightarrow \quad q_r  =  $   zyklisch$\displaystyle .
$ (1227)

Zum Beispiel im Zentralkraftproblem

$\displaystyle {\cal L}  =  \frac{m}{2} \left( \dot{r}^2  +  r^2  \dot{\varphi}^2 \right)  -  U(r)
$

ist die Variable $ \varphi$ zyklisch. Wegen des periodischen Charakters von $ \varphi$ bei gebundenen Zuständen ist der Name zyklisch zutreffend; davon wird er mit der neuen Bedeutung auf den allgemeinen Fall (12.27) übertragen, selbst wenn die Bewegung nicht mehr periodisch ist.

Aus der Lagrangeschen Gleichung 2. Art für $ q_r$, Gl. (11.38), und aus der Definition des kanonischen Impulses, Gl. (12.9), folgt, daß der zur zyklischen Variablen $ q_r$, konjugierte Impuls $ p_r$, zeitlich konstant, also ein Integral der Bewegung, ist:

$\displaystyle \frac{d}{dt}  \frac{\partial \cal L}{\partial \dot{q}_r}  -  \...
...al q_r}  =  \frac{d}{dt}  p_r  =  0 \quad \Longrightarrow \quad p_r  =  $   const$\displaystyle .
$ (1228)

Die verallgemeinerte Geschwindigkeit, $ \dot{q}_r$, muß aber in der Lagrangefunktion vorkommen, sonst ist die Variable $ q_r$ sinnlos. Aus der vorhergehenden Gleichung folgt, daß $ q_r$ auch in der Hamiltonfunktion nicht vorkommt:

$\displaystyle \dot{p}_r  =  \frac{\partial H}{\partial q_r}  =  0.$ (1229)

Zusammenfassend: Jede zyklische Koordinate ist in der Hamiltonfunktion nicht enthalten, wohl aber ihr konjugierter Impuls. Dieser ist zeitlich konstant, ist ein Integral der Bewegung. Daher ist es nicht mehr nötig, die kanonischen Bewegungsgleichungen für dieses Paar zu lösen, die Ordnung des Problems verringert sich um 2.

Auch der Energiesatz (§12.3) läßt sich unter diesem allgemeinen Fall subsummieren. Die zyklische Variable ist die Zeit $ t$, der hiezu konjugierte Impuls ist die negative Gesamtenergie $ -E$.

Ein Integral der Bewegung ist im allgemeinen eine Funktion $ I(p_k,q_k,t) $, die von der Zeit $ t$ unabhängig wird, wenn man für $ p_k(t)$ und $ q_k(t)$ die Lösungen der kanonischen Bewegungsgleichungen einsetzt. Diese Eigenschaft kann auch ohne Kenntnis dieser Lösungen festgestellt werden. In die totale Zeitableitung des Ausdruckes $ I$ werden die kanonischen Bewegungsgleichungen eingesetzt:

$\displaystyle \frac{dI}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k \left( \frac{\partial I}{\partial q_k}  \dot{q}_k \quad...
...al I}{\partial p_k}  \dot{p}_k \right)  +  \frac{\partial I}{\partial t}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sum_k \left( \frac{\partial I}{\partial q_k}  \frac{\partial ...
...  \frac{\partial H}{\partial q_k} \right)  +  \frac{\partial I}{\partial t}.$ (1230)

Für ein Integral der Bewegung eines Problems, das durch die Hamiltonfunktion $ H(p_k, q_k, t) $ beschrieben wird, muß

$\displaystyle \frac{dI}{dt}  =  0$ (1231)

herauskommen, wenn in der vorhergehenden Gleichung $ H$ und $ I$ eingesetzt werden.

Bei der Lösung eines vorgegebenen mechanischen Problems wird man alle Integrale der Bewegung, die man kennt, heranziehen, um die Ordnung des Systems von Bewegungsgleichungen zu erniedrigen. Dazu muß man diese in die Bewegungsgleichungen einführen. Dies geschieht mittels der kanonischen Transformationen. Besonders erstrebenswert ist es, eine solche kanonische Transformation aufzufinden, daß in der neuen Hamiltonfunktion alle Variablen zyklisch sind. Dann gilt:

$\displaystyle H  $ $\displaystyle = H(p_k,t) ,$    
$\displaystyle \dot{p}_k$ $\displaystyle = -  \frac{\partial H}{\partial q_k}  =  0, \quad p_k  =  $   const.$\displaystyle  :=  \alpha_k ,$    
    (1232)
$\displaystyle \dot{q}_k$ $\displaystyle =  \frac{\partial H(p_k,t)}{\partial p_k}  :=  \nu(\alpha_k,t) ,$    
$\displaystyle q_k$ $\displaystyle = \int^t \nu(\alpha_k,t)  dt  +  \beta_k .$    

Damit ist das Problem vollständig gelöst. Ein Verfahren zum Auffinden solcher günstiger kanonischer Transformationen bietet die Hamilton-Jacobische Integrationstheorie.

Kanonische Transformation

Ein mechanisches System ist durch eine Hamiltonfunktion $ H(p_k, q_k, t) $ beschrieben, die Bewegung erfolgt gemäß den Hamiltonschen Bewegungsgleichungen. Man geht zu neuen kanonisch konjugierten Variablen $ P_i , Q_i$ über, für die man auch eine neue Hamiltonfunktion $ K(P_i,Q_i,t) $ erhält. Es werden nur solche Transformationen zugelassen, daß auch in den neuen Variablen die Bewegungsgleichungen kanonische Form haben.

Die kanonischen Transformationen sind die nichtsingulären Transformationen

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} P_i  =&\! P_i(p_k,q_k,t), &\quad p_k  = ...
...! Q_i(p_k,q_k,t); &\quad q_k  =  q_k(P_i,Q_i,t) . \end{array}\end{displaymath} (1233)

In den alten Variablen $ p_k$, $ q_k$ wird die Bewegung durch das Hamiltonsche Prinzip, z.B. in kanonischer Form (12.35), festgelegt:

$\displaystyle \delta \int\limits_{t_0}^{t_1} \Big[ \sum_{k=1}^f p_k  \dot{q_k}  -  H( p_i,q_i,t) \big]   dt  =  0 .$ (1234)

Wenn in den neuen Variablen $ P_i , Q_i$ das Hamiltonsche Prinzip die äquivalente Form hat

$\displaystyle \delta \int\limits_{t_0}^{t_1} \Big[ \sum_{k=1}^f P_i  \dot{Q_i}  -  K( P_i,Q_i,t) \big]   dt  =  0 ,$ (1235)

dann geben die Eulerschen Gleichungen dieses Variationsproblems die Bewegungsgleichungen in der Form

$\displaystyle \dot{P}_i$ $\displaystyle = -  \frac{\partial K}{\partial Q_i}  ,$    
  (1236)
$\displaystyle \dot{Q}_i$ $\displaystyle = \quad \frac{\partial K}{\partial P_i}  .$    

Es ist nicht verlangt, daß die beiden Integrale in den Variationsprinzipien (12.34) und (12.35) identisch werden, sondern nur, daß sie gleichzeitig ihr Extremum annehmen: Wenn das Integral (12.34) für die Funktion $ p_k(t)$, $ q_k(t)$ sein Extremum annimmt, so soll es das Integral (12.35) für die Funktionen $ P_i(t)$, $ Q_i(t) $ tun, die aus den $ p_k(t)$, $ q_k(t)$ mittels der Transformationen(12.33) hervorgehen. Dafür ist notwendig und hinreichend, daß sich die beiden Integranden nur um die totale Zeitableitung einer willkürlichen Funktion $ F$ unterscheiden

$\displaystyle \sum_k  p_k  \dot{q}_k  -  H  =  \sum_k  P_k  \dot{Q}_k  -  K  +  \frac{dF}{dt} .$ (1237)

Denn das Integral dieser Funktion ist konstant; dessen Variation ist Null, daher ist (12.35) Null, wenn (12.34) Null ist.

$\displaystyle \int_{t_0}^{t_1}  dt  \frac{F(p_k,q_k,P_k,Q_k,t)}{dt}  =$ $\displaystyle  F  \bigg\vert _{t_0}^{t_1}  =  $   const.    
  (1238)
$\displaystyle \delta\int_{t_0}^{t_1}  dt  \frac{dF}{dt}  =$ $\displaystyle 0.$    

Gl. (12.37) und die Funktion $ F$ sind äußerst wichtig für die praktische Durchführung kanonischer Transformationen. F heißt die erzeugende Funktion der kanonischen Transformation. In Gl. (12.38) wurden alle $ 4f$ abhängigen Variablen $ p_k$, $ q_k$, $ P_k$, $ Q_k $ als Argumente angegeben. Wegen der Beziehungen (12.33) sind aber nur $ 2f$ dieser Variablen unabhängig; die übrigen $ 2f$ Variablen können mittels Gln. (12.33) durch die ersten $ 2f$ ausgedrückt werden. Es ist für die weiteren Anwendungen notwendig, daß die erzeugende Funktion $ F$ bekannt ist und, daß sie von $ f$ der alten und von $ f$ der neuen Variablen abhängt. Z.B. kann angenommen werden, daß $ F$ nur von den $ q_k$ und $ Q_k $ abhängt und dieses $ F_1$ wird in Gl. (12.37) eingesetzt. Der resultierende Ausdruck wird anschließend umgestellt.

  $\displaystyle F  :=  F_1 (q_k, Q_k, t) :$    
  $\displaystyle \sum_k  p_k  \dot{q}_k  -  H  =  \sum_k  P_k  \dot{Q}_k \...
... F_1}{\partial Q_k}  \dot{Q}_k \right)
 +  \frac{\partial F_1}{\partial t} ,$    
    $\displaystyle \sum_k \left( p_k  -  \frac{\partial F_1}{\partial q_k} \right)...
...Q_k} \right)  \dot{Q}_k  =  H  -  K  +  \frac{\partial F_1}{\partial t}.$ (1239)

Alle $ q_k$ und $ Q_k $ sind voneinander unabhängig, ebenso deren Zeitableitungen. Die obige Identität kann nur bestehen, indem die Koeffizienten aller $ \dot{q}_k$ und aller $ \dot{Q}_k$, damit auch die rechte Seite Null sind. Dies führt zu folgender Vorgangsweise:

\begin{displaymath}\begin{array}{cccccccc} p_k &=& \frac{\partial F_1(q_i,Q_i,t)...
...\swarrow\searrow && \hspace{4mm}\searrow &  [1mm] \end{array}\end{displaymath} (1240)


$\displaystyle \hspace{15mm} K(P_i,Q_i,t)  =  H(p_k,q_k,t) \quad +   \frac{\partial F_1 (q_i,Q_i,t)}{\partial t}
\qquad\quad (e)
$

Bei der Ausrechnung der kanonischen Transformation werden im ersten Schritt die Gln. (12.40c) nach den $ q_k$ aufgelöst; dies gibt die $ q_k$ als Funktionen der neuen Variablen. Im zweiten Schritt werden die erhaltenen Funktionen der neuen Variablen $ P_i$ und $ Q_i$ in die Gln. (12.40a) eingesetzt. Dies gibt die $ p_k$ als Funktion der neuen Variablen, dritter Schritt; im vierten Schritt werden die so erhaltenen Ausdrücke für $ p_k$ und $ q_k$ in Gl. (12.40e) eingesetzt; damit bekommt man die neue Hamiltonfunktion $ K(P_i,Q_i,t) $ als Funktion der neuen Variablen. Gln. (12.40) lassen verstehen, warum $ F$ erzeugende Funktion genannt wird.

Als Beispiel wird am eindimensionalen harmonischen Oszillator die kanonische Transformation durchgeführt, die von der folgenden Funktion $ F_1 (q,Q) $ erzeugt wird:

\begin{displaymath}\begin{array}{rclccc} H &=& \frac{p^2}{2m}  +  \frac{m \ome...
... Q , & \quad \mbox{(d)}  [2mm] &&& \downarrow  4 \end{array}\end{displaymath} (1241)

$\displaystyle K  =  H  +  \underbrace{\frac{\partial F_1}{\partial t}}_{= 0...
...left( \sqrt{\frac{2 P }{ m \omega }}  \sin Q \right)^2  =  \omega P  =  E.$   (e)

Die Variable $ Q$ ist zyklisch, daher ist der neue Impuls $ P = E/\omega $ konstant.
$\displaystyle \dot{P}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \frac{\partial K}{\partial Q}  =  0, \qquad P  =  $   const.$\displaystyle ,$  
$\displaystyle \dot{Q}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \quad \frac{\partial K}{\partial P}  =  \omega, \qquad Q \
=  \omega t  +  \varphi_0 ,$  
$\displaystyle q  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sqrt{\frac{2 P }{ m \omega }}     \sin Q   =   \sqrt{\frac{2 E }{ m \omega^2 }} \
\sin (\omega t  +  \varphi_0),$  
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sqrt{2 m \omega P}  \cos Q  =  \sqrt{2 m E } \
\cos (\omega t  +  \varphi_0).$  

Vergleich mit den Lösungen in Gl. (12.23) zeigt, daß obige Lösungen mit den ersteren für $ \varphi_0 = \pi/2 $ übereinstimmen. Aus Gl. (12.41e) ersieht man, daß $ P$ proportional der Gesamtenergie $ E$ ist. Diese ist ein Integral der Bewegung, daher muß die kanonisch konjugierte Variable $ Q$ zyklisch sein. Die durch die Funktion $ F_1$ erzeugte kanonische Transformation gestattet, die Energie zur Lösung des Problems einzuführen. Aus Gln. (12.41a) und (12.41b) errechnet man

$\displaystyle \tan Q  =  m \omega  \frac{q}{p}.
$

$ Q$ ist ein Winkel, der die momentane Lage des Phasenpunktes auf der elliptischen Phasenbahn angibt.

Ein anderer Typ einer kanonischen Transformation ergibt sich, wenn man annimmt, daß die erzeugende Funktion $ F$ nur von den alten Koordinaten und den neuen Impulsen abhängt. Es ist dann zweckmäßig, Gl. (12.37) durch Hinzufügen und Abziehen der Summe $ \frac{d}{dt} \sum_k  P_k Q_k $ umzuschreiben:

$\displaystyle \sum_k  p_k  \dot{q}_k  -  H  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \quad \sum_k  P_k  \dot{Q}_k  -  K  +  \frac{dF}{dt}$ (1242)
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \sum_k  \dot{P}_k  Q_k  -  K  + \
\frac{d}{dt} \underbrace{\left( F  +  \sum_k  P_k Q_k \right)}_{:=  F_2 (q_k, P_k,t)} .$ (1243)

Die Zeitableitung wird ausgeführt, der resultierende Ausdruck umgeschrieben. Wegen der Unabhängigkeit der $ q_k$ und $ P_k$ sowie deren Zeitableitungen erhält man wie in Gln. (12.39) und (12.40) :
  $\displaystyle F  :=  F_2 (q_k, P_k, t) :$    
    $\displaystyle \sum_k \left( p_k  -  \frac{\partial F_2}{\partial q_k} \right)...
..._k} \right)  \dot{P}_k  = \
H  -  K  +  \frac{\partial F_2}{\partial t};$ (1244)
  $\displaystyle p_k  =  \frac{\partial F_2}{\partial q_k}, \qquad Q_k  =  \fr...
...al F_2}{\partial P_k};
\qquad K  =  H  +  \frac{\partial F_2}{\partial t} .$   (1245)

Man kann auch erzeugende Funktionen $ F_3 (p_k, Q_k, t) $ und $ F_4 (p_k, P_k, t) $ benützen und in ähnlicher Weise wie in den obigen Gleichungen vorgehen, um die Transformation auszurechnen. Diese 4 Typen werden in der nachfolgenden Aufstellung zusammengefaßt:

$\displaystyle F_1(q_i, Q_i, t):\qquad p_k  $ $\displaystyle = \quad \frac{\partial F_1}{\partial q_k}  , \quad P_k  =  - \frac{\partial F_1}{\partial Q_k}  ;$ (1246)
$\displaystyle F_2 (q_k, P_k, t):\qquad p_k  $ $\displaystyle = \quad \frac{\partial F_2}{\partial q_k}  , \quad Q_k  = \quad \frac{\partial F_2}{\partial P_k}  ;$ (1247)
  (1248)
$\displaystyle F_3 (p_k, Q_k, t):\qquad q_k  $ $\displaystyle =  - \frac{\partial F_3}{\partial p_k}  , \quad P_k  =  - \frac{\partial F_3}{\partial Q_k}  ;$ (1249)
$\displaystyle F_4 (p_k, P_k, t):\qquad q_k  $ $\displaystyle =  - \frac{\partial F_4}{\partial p_k}  , \quad Q_k  = \quad \frac{\partial F_4}{\partial P_k}  ;$ (1250)

Der neue Ausdruck für die Hamiltonfunktion ist in allen Fällen der gleiche:

$\displaystyle K  =  H  +  \frac{\partial F_i}{\partial t}  .
$

Hängt die kanonische Transformation nicht explizit von der Zeit ab (kanonische Transformation im engeren Sinn), dann gilt

$\displaystyle \frac{\partial F}{\partial t}  =  0 \quad \Rightarrow \quad K  =  H.$ (1251)

Die obige Aufzählung gibt noch nicht den allgemeinsten Typ einer kanonischen Transformation. Denn es sind noch beliebige ''gemischte'' Typen zulässig, bei denen die erzeugende Funktion von je $ f$ der neuen Variablen $ P_k$, $ Q_k $ und je $ f$ der alten Variablen $ p_k$, $ q_k$ abhängt. Dabei ist die Auswahl beliebig mit der einzigen Einschränkung, daß nicht eine Variable zusammen mit ihrer kanonisch konjugierten in $ F$ vorkommen darf.
  $\displaystyle F  =  F(q_{i_k}, p_{i_\ell}, Q_{i_m}, P_{i_n}, t)$    
$\displaystyle k = 1,2, ... , K , \quad K + L = f ;$   $\displaystyle m = 1,2,..., M , \quad M +
N = f ;$  
$\displaystyle \ell = 1,2,..., L , \quad i_k \neq i_\ell ;$   $\displaystyle n = 1,2,..., N , \quad i_m
\neq i_n .$  

Man bildet die neue erzeugende Funktion:
$\displaystyle \bar{F}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  F(q_{i_k}, p_{i_\ell}, Q_{i_m}, P_{i_n}, t)  -  \sum_{i_\ell}
q_{i_\ell}  p_{i_\ell}
 +  \sum_{i_n} Q_{i_n}  P_{i_n} ;$  
$\displaystyle \frac{d\bar{F}}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
\sum_{i_k} \frac{\partial \bar{F}}{\partial q_{i_k}}  \dot{q}...
... \
\sum_{i_n} \frac{\partial \bar{F}}{\partial P_{i_n}}  \dot{P}_{i_n}  +  $  
    $\displaystyle  +  \frac{\partial \bar{F}}{\partial t}
 +  \sum_{i_\ell} \le...
...m_{i_n} \left( \dot{Q}_{i_n}  P_{i_n}  +  Q_{i_n} \
\dot{P}_{i_n} \right) .$  

Gl. (12.37) wird in geeigneter Weise umgestellt und entsprechend ergänzt, es werden die obige erzeugende Funktion und ihre Zeitableitung eingesetzt:
    $\displaystyle \quad \sum_{i_k} p_{i_k}  \dot{q}_{i_k}  + \
\sum_{i_\ell} \un...
...m}  \dot{Q}_{i_m}  - \
\sum_{i_n} \underline{ P_{i_n}  \dot{Q}_{i_n } }  =$  
    $\displaystyle =  \sum_{i_k} \frac{\partial \bar{F}}{\partial q_{i_k}}  \dot{q...
... \
\sum_{i_n} \frac{\partial \bar{F}}{\partial P_{i_n}}  \dot{P}_{i_n}  +  $  
    $\displaystyle \quad +  \frac{\partial \bar{F}}{\partial t}  +  H  -  K \
...
...ft(\underline{ \dot{Q}_{i_n}  P_{i_n}}  +  Q_{i_n}  \dot{P}_{i_n} \right) .$  

Die unsterstrichenen Terme kürzen sich; die verbleibenden werden umgeordnet zu:
    $\displaystyle \quad \sum_{i_k} \left( p_{i_k}  -  \frac{\partial \bar{F}}{\pa...
..._m}  +  \frac{\partial \bar{F}}{\partial Q_{i_m}} \right)  \dot{Q}_{i_m}  =$  
    $\displaystyle =  \sum_{i_\ell} \left( {q}_{i_\ell}  +  \frac{\partial \bar{F...
...  \dot{P}_{i_n}  + \
\frac{\partial \bar{F}}{\partial t}  +  H  -  K  .$  

Wegen der Unabhängigkeit der $ q_{i_k}, p_{i_\ell}, Q_{i_m}, P_{i_n} $ folgt dann:

$\displaystyle p_{i_k}  =  \frac{\partial \bar{F}}{\partial q_{i_k}}, \quad
q...
...tial Q_{i_n}}, \quad
Q_{i_n}  =  \frac{\partial \bar{F}}{\partial P_{i_k}}.
$

Der Zusammenhang zwischen der alten und der neuen Hamiltonfunktion ist der gleiche wie oben nach Gl. (12.48).

Es sind sehr viele verschiedenartige kanonische Transformationen möglich. Diese hängen nicht von der Hamiltonfunktion ab, sondern nur vom Freiheitsgrad. Eine gegebene kanonische Transformation kann auf alle Hamiltonfunktionen mit entsprechendem Freiheitsgrad angewendet werden. Da man aber mit einer kanonischen Transformation immer einen bestimmten Zweck verfolgt, nämlich die Reduktion der Ordnung des Systems von Bewegungsgleichungen durch Einführung der bekannten Integrale der Bewegung des Systems, muß man in jedem Fall die entsprechende kanonische Transformation zu eben diesem Zweck aufsuchen.

Differentialinvarianten kanonischer Transformationen. Bedingungen
für kanonische Transformationen. Lagrange- und Poissonklammern.

Vom mathematischen Standpunkt interessieren bei einer Transformation (hier bei einer kanonischen) immer die Größen, die bei diesen Transformationen unverändert, d.h. invariant, bleiben. Aus der Anwendung kommt andererseits der Wunsch, bei vorgegebenen Transformationen (12.33) feststellen zu können, ob diese kanonisch sind. Beide Probleme hängen zusammen und werden hier behandelt.

Wir beschränken uns bei den Untersuchungen dieses Paragraphen auf kanonische Transformationen im engeren Sinn, in denen also die Zeit $ t$ nicht explizit auftritt:

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} P_i  =  P_i(p_k,q_k), & \quad & p_k  = ...
...  Q_i(p_k,q_k); & \quad & q_k  =  q_k(P_i,Q_i) . \end{array}\end{displaymath} (1252)

- Die Bedingungen, die abgeleitet werden, gelten auch für kanonische Transformationen im weiteren Sinn, Gln. (12.33), in denen auch die Zeit explizit auftritt, doch sind dann die Beweise ungleich komplizierter. - Die erzeugende Funktion der Transformation hängt nicht explizit von der Zeit ab. Gemäß (12.51) sind daher alte und neue Hamiltonfunktion gleich

$\displaystyle \frac{\partial F}{\partial t}  =  0 \quad \Rightarrow \quad K(P_i, Q_i)  =  H(p_k, q_k).$ (1253)

Bedingungen aus der erzeugenden Funktion

Wir nehmen nun an, daß die erzeugende Funktion in Gl. (12.37) so umgeformt worden ist, daß sie nur von der neuen Variablen $ P_i$ und $ Q_i$ abhängt. Die eben erwähnte Gleichung nimmt dann folgende Gestalt an:121

$\displaystyle p_k  \dot{q}_k  -  P_k  \dot{Q}_k  =  \frac{d}{dt}  F(P_k,...
...}{\partial Q_k}  \dot{Q}_k  +  \frac{\partial F}{\partial P_k}  \dot{P}_k .$ (1254)

In dieser Gleichung wird berücksichtigt, daß $ q_k$ (damit auch $ \dot{q}_k$ ) eine Funktion der $ P_i$ und $ Q_i$ ist. Zuerst wird die Ableitung $ \dot{q}_k$ ausgerechnet; der resultierende Ausdruck wird in die obige Gleichung eingesetzt; diese wird dann umgeordnet:
  $\displaystyle \dot{q}_i  =  \frac{\partial q_k}{\partial P_i}  \dot{P}_i  +  \frac{\partial q_k}{\partial Q_i}  \dot{Q}_i ;$    
    $\displaystyle \left( p_k  \frac{\partial q_k}{\partial Q_i}  -  P_i  -  \f...
...partial P_i}  -  \frac{\partial F}{\partial P_i} \right)  \dot{Q}_i  =  0.$  

Wegen der Unabhängigkeit der $ P_i$ und $ Q_i$ folgt

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} \frac{\partial F}{\partial Q_i}  &=&  p_...
...}  &=&  p_k  \frac{\partial q_k}{\partial P_i} . \end{array}\end{displaymath} (1255)

Wir setzen voraus, daß die erzeugende Funktion stetige zweite Ableitungen besitzt; dann muß das Resultat von zwei Differentiationen unabhängig von der Reihenfolge der Operationen sein. Damit folgt aus Gln. (12.55):

\begin{displaymath}\begin{array}{rcccccl} \frac{\partial^2 F}{\partial Q_\ell  ...
...c{\partial^2 F}{\partial P_r  \partial Q_\ell}  . \end{array}\end{displaymath} (1256)

Aus den zwei äußeren Kolonnen ergeben sich die Terme in den anschließenden inneren Kolonnen, indem für die jeweils zweite Ableitung der ensprechende Ausdruck aus den Gln. (12.55) eingesetzt wird. In den beiden inneren Kolonnen werden die Differentiationen ausgeführt. Dann kürzen sich Terme. Die verbleibenden können dann in folgender symmetrischer Form angeordnet werden:

$\displaystyle \frac{\partial q_k}{\partial Q_r} \frac{\partial p_k}{\partial Q_...
... -  \frac{\partial p_k}{\partial Q_r} \frac{\partial q_k}{\partial Q_\ell}  $ $\displaystyle =  0 ;$    
$\displaystyle \frac{\partial q_k}{\partial P_r} \frac{\partial p_k}{\partial P_...
... -  \frac{\partial p_k}{\partial P_r} \frac{\partial q_k}{\partial P_\ell}  $ $\displaystyle =  0 ;$ (1257)
$\displaystyle \frac{\partial q_k}{\partial Q_\ell} \frac{\partial p_k}{\partial...
... -  \frac{\partial p_k}{\partial Q_\ell} \frac{\partial q_k}{\partial P_r}  $ $\displaystyle =  \delta_{\ell r} .$    

Das Kroneckersymbol folgt aus $ \frac{\partial P_\ell}{\partial P_r} = \
\delta_{\ell r}$. Die linke Seite jeder der obigen Gleichungen besteht aus 2f Termen, weil über den Index k von 1 bis f zu summieren ist.

Die obigen Bedingungen, Gln. (12.57), sind notwendig und hinreichend für eine kanonische Transformation. Aus der Existenz einer zweimal differenzierbaren erzeugenden Funktion folgen diese Gleichungen. Umgekehrt, sind diese erfüllt, kann man den obigen Weg rückwärts gehen und die Gln. (12.56) sind die Integrabilitätsbedingungen, die die Existenz einer zu diesen Gleichungen gehörigen Funktion $ F$ gewährleisten.

Lagrange-Klammern

Die Ausdrücke in den Gln. (12.57) heißen Lagrange-Klammern und werden durch das folgende Symbol bezeichnet:

$\displaystyle \{ u,v \}_{p,q}  :=  \frac{\partial q_k}{\partial u} \frac{\par...
... q_k}{\partial v} & \frac{\partial p_k}{\partial v} \end{array} \right\vert  .$ (1258)

Damit lauten die Bedingungen (12.57) :

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} \{ Q_r, Q_\ell \}_{p,q}  &=&  0,  [1mm...
...] \{ Q_r, P_\ell \}_{p,q}  &=&  \delta_{\ell r} . \end{array}\end{displaymath} (1259)

Da auch die Umkehrfunktion einer kanonischen Transformation kanonisch ist, gilt auch:

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} \{ q_r, q_\ell \}_{P,Q}  &=&  0,  [1mm...
...] \{ q_r, p_\ell \}_{P,Q}  &=&  \delta_{\ell r} . \end{array}\end{displaymath} (1260)

Zur Vereinfachung der weiteren Untersuchungen führen wir eine neue Schreibweise ein und fassen die kanonischen Variablen unter einem einheitlichen Symbol zusammen:

\begin{displaymath}\begin{array}{rcl} (q_1, q_2, ..., q_f, \quad   p_1, p_2, ....
..._1, P_2, ..., P_f)  &:=& (Y_1, Y_2, ..., Y_{2f}) . \end{array}\end{displaymath} (1261)

Außerdem definieren wir die folgende schiefsymmetrische und orthogonale Matrix :

$\displaystyle G  =  \left( g_{ik} \right)  =  \left( \begin{array}{cc} 0_f & E_f  [1mm] - E_f & 0_f \end{array} \right)$ (1262)

mit den Eigenschaften

$\displaystyle G  =  -  \tilde{G}, \quad G^2  =  -  E,$   det$\displaystyle (G)  =  1, \quad \tilde{G}  =  G^{-1} .$ (1263)

$ 0_f $ ist die f x f-Nullmatrix, $ E_f $ die f x f-Einheitsmatrix. Damit schreibt man die Lagrange-Klammern (12.58) 122

$\displaystyle \{ u, v \}_x  =  g_{\alpha\beta}  \frac{\partial x_\alpha}{\partial u} \frac{\partial x_\beta}{\partial v},$ (1264)

und die Bedingungen (12.59) bzw. (12.60) für kanonische Transformationen lauten:
$\displaystyle \{ Y_\gamma, Y_\delta \}_x  =  g_{\alpha\beta} \
\frac{\partial x_\alpha}{\partial Y_\gamma} \frac{\partial x_\beta}{\partial
Y_\delta}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle g_{\gamma\delta},$ (1265)
$\displaystyle \{ x_\gamma, x_\delta \}_x  =  g_{\alpha\beta} \
\frac{\partial Y_\alpha}{\partial x_\gamma} \frac{\partial Y_\beta}{\partial
x_\delta}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle g_{\gamma\delta}.$ (1266)

Gln. (12.65) lauten in Matrixschreibweise:

$\displaystyle \left( \begin{array}{cc} \{ Q_i, Q_k \} & \{Q_i, P_k \}  [2mm]
\{P_k, Q_i \} & \{P_k, P_i \} \end{array} \right)  =  G.
$

Poisson-Klammern

Ein weiterer Typ solcher Differentialausdrücke sind die Poisson-Klammern :

$\displaystyle [A,B]_{p,q}  :=  \sum_{k=1}^f  \left\vert \begin{array}{cc} \f...
...ta}  \frac{\partial A}{\partial x_\alpha} \frac{\partial B}{\partial x_\beta}.$ (1267)

Sie hängen mit den Lagrangeklammern zusammen gemäß

$\displaystyle \{ u_\alpha , u_\beta \}  [u_\beta, u_\gamma ]  =  -  \delta_{\alpha\gamma} .$ (1268)

Denn es ist
$\displaystyle \{ u_\alpha , u_\beta \}  [ u_\beta, u_\gamma ]$ $\displaystyle =$ $\displaystyle g_{\xi\eta} \
g_{\varepsilon\kappa} \
\frac{\partial x_\xi}{\pa...
...{\partial x_\xi}{\partial u_\alpha} \frac{\partial u_\gamma}{\partial u_\kappa}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle -  \frac{\partial x_\xi}{\partial u_\alpha} \frac{\partial u_\ga...
...
\frac{\partial u_\gamma}{\partial u_\alpha}  =  -  \delta_{\alpha \gamma} .$  

Mittels (12.68) kann man aus (12.59) bzw. (12.60) Bedingungen für kanonische Transformationen in Poisson-Klammern ausdrücken:
$\displaystyle [Q_i , Q_k]_{p,q}  =  [P_i , P_k]_{p,q}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  0, \qquad [Q_i , P_k]_{p,q}  =  \delta_{ik} ;$ (1269)
$\displaystyle [q_i , q_k]_{P,Q}  =  [p_i , p_k]_{P,Q}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  0, \qquad [q_i , p_k]_{P,Q}  =  \delta_{ik}.$ (1270)

Schreibt man nämlich Gl. (12.68) für die neuen Variablen $ P_i , Q_i$ an und setzt man (12.65) ein, gibt dies
$\displaystyle \underbrace{\{ Y_\alpha , Y_\beta \}_x}_{ = g_{ \alpha\beta}}  [ Y_\beta , Y_\gamma]_x  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \delta_{ \alpha \gamma }  \Big\vert \cdot (- g_{\alpha \sigma}),$  
$\displaystyle \underbrace{ -  g_{\alpha \beta}  g_{\alpha \sigma}}_{= \delta_{\beta \sigma}} \
[Y_\beta, Y_\gamma ]_x  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  [Y_\sigma, Y_\gamma ]_x  =  -  g_{\sigma \gamma }.$ (1271)

Zum Beispiel ist die Transformation (vgl. (12.41))

$\displaystyle P  =  \frac{1}{\omega}  \left[ \frac{p^2}{2m}  +  \frac{m \o...
...2}  q^2 \right] ,
\qquad
Q  =  \arctan \left( \frac{m \omega q}{p} \right)
$

kanonisch, wenn $ p$ und $ q$ zueinander kanonisch konjugiert sind. Die Poissonklammern (12.70) für $ P$ bzw. $ Q$ allein sind trivialerweise erfüllt, da $ f = 1$; für die letzte gilt
$\displaystyle [Q, P]_{p,q}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial Q}{\partial q} \frac{\partial P}{\partial p}  - \
\frac{\partial Q}{\partial p} \frac{\partial P}{\partial q}  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{1}{1 + \left(\frac{m \omega q}{P}\right)^2}  \frac{m \omeg...
...rac{m \omega q}{P}\right)^2}  \left( - \frac{m
\omega q}{p^2} \right)  =  1.$  

Poisson-Klammern für Zeitableitungen dynamischer Größen

Auch die totale Zeitableitung einer beliebigen Größe $ A(p_k,q_k,t) $ läßt sich durch Poissonklammern ausdrücken. Dabei wird zuerst die Kettenregel angewendet; danach werden die kanonischen Bewegungsgleichungen eingesetzt.

$\displaystyle \frac{dA}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial A}{\partial p_k}  \dot{p}_k  + \
\frac{\partial A}{\partial q_k}  \dot{q}_k  +  \frac{\partial A}{\partial t} ,$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial A}{\partial q_k}  \frac{\partial H}{\partial p_...
...al p_k}  \frac{\partial H}{\partial q_k}  +  \frac{\partial A}{\partial t} ,$  
$\displaystyle \frac{dA}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  [A, H]  +  \frac{\partial A}{\partial t} .$ (1272)

Ist $ A$ Erhaltungsgröße dann muß deren totale Zeitableitung Null sein.

$\displaystyle \frac{dA}{dt}  =  [A, H]  +  \frac{\partial A}{\partial t}  =  0.
$

Hängt $ A$ nicht explizit von der Zeit ab, dann gilt für solch eine Erhaltungsgröße :

$\displaystyle [A, H]  =  0 .
$

Die Hamiltonschen Gleichungen lauten in dieser Schreibweise:

$\displaystyle \dot{p}_k  =  [p_k , H], \qquad \dot{q}_k  =  [q_k , H] .$ (1273)

Integralinvarianten kanonischer Transformationen.
Der Satz von Liouville

Neben den Lagrange- und Poissonklammern, Gln. (12.58) und (12.67), die Differentialinvarianten kanonischer Transformationen sind, gibt es auch Integralinvarianten. Unter diesen betrachten wir nur eine, das Volumen des Phasenraumes. Das Gebiet $ G$ des Phasenraumes gehe bei einer kanonischen Transformation in das Gebiet $ G'$ über. Der Satz von Liouville behauptet, daß die Volumina $ I(G)$ bzw $ I(G')$ dieser Gebiete gleich sind. Z.B stellt man sich vor, daß die Phasenpunkte eines Systems von Teilchen ohne Wechselwirkung das Gebiet $ G$ erfüllen. Bei der zeitlichen Entwicklung sind diese in das Gebiet $ G'$ gewandert (auch der zeitliche Ablauf eines Systems kann durch eine kanonische Transformation beschrieben werden):

$\displaystyle p  =  p(p_0, q_0,t) , \qquad q  =  q(p_0, q_0,t) .$ (1274)

Nach dem Satz von Liouville kann dabei das von den Darstellungspunkten erfüllte Volumen seine Gestalt, nicht aber seinen Volumsinhalt ändern; ''Die Flüssigkeit der Phasenpunkte ist inkompressibel''. Dieser Satz bildet die Grundlage der Statistischen Mechanik.

Die Inhalte der Gebiete G und G' sind:

$\displaystyle I(G)  $ $\displaystyle =  \int ... \int  \prod_{i=1}^f  dp_i  dq_i  =  \int ... \int  \prod_{\rho=1}^{2f}  dx_\rho  ;$    
$\displaystyle I(G')  $ $\displaystyle =  \int ... \int  \prod_{i=1}^f  dP_i  dQ_i  =  \int ... \int  \prod_{\rho=1}^{2f}  dY_\rho   ;$ (1275)
$\displaystyle I(G)  $ $\displaystyle =  \int ... \int  $   det$\displaystyle \left( \frac{\partial x_\rho}{\partial Y_\nu} \right) \prod_{\nu=1}^{2f}  dY_\nu.$    

Der Satz von Liouville ist bewiesen, wenn gezeigt worden ist, daß die Jacobische Funktionaldeterminante:

det$\displaystyle \left( \frac{\partial x_\rho}{\partial Y_\nu} \right)  =  \left...
... p_i}{\partial Q_k} & \frac{\partial p_i}{\partial P_k} \end{array} \right\vert$ (1276)

den Wert 1 hat. Jeder Eintrag in der obigen Determinate representiert eine quadratische Untermatrix aus $ f$ Zeilen und $ f$ Spalten, da $ i$ und $ k$ unabhängig voneinander von 1 bis $ f$ laufen. Diese Matrix wird nun durch Kombinationen von Zeilen derart umgeformt, daß der $ f \times f$ Block in der linken unteren Ecke zur Nullmatrix wird. Es wird angenommen, daß die kanonische Transformation, die die Variablensätze $ q_{i_k}$, $ p_{i_\ell}$, $ Q_{i_m}$, $ P_{i_n} $ verbindet, von einer Funktion $ F_2(q_k,P_k,t) $ erzeugt wird.

$\displaystyle F_2(q_k,P_k,t) : \qquad p_k  =  \frac{\partial F_2}{\partial q_k}  , \quad Q_k  =  \frac{\partial F_2}{\partial P_k} .$ (1277)

Die Funktionaldeterminante (12.76) wird umgeformt, indem die ersten $ f$ Zeilen $ (\ell = 1,..., k)$ jeweils mit $ - \frac{\partial^2
F_2}{\partial q_\ell  \partial q_i} $ multipliziert und zur $ (f+i)$-ten Zeile addiert werden (es gilt das Summationsübereinkommen):
det$\displaystyle \left( \frac{\partial x_\rho}{\partial Y_\nu} \right)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
\left\vert \begin{array}{cc} \frac{\partial q_i}{\partial Q_k}...
...ial P_k}  [2mm]
0 & \frac{\partial Q_k}{\partial q_i} \end{array} \right\vert$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  $   det$\displaystyle \left( \frac{\partial q_i}{\partial Q_k} \right)$   det$\displaystyle \left( \frac{\partial Q_k}{\partial q_i} \right)  =  1.$   qed (1278)

Die oben benützten Relationen folgen aus (12.77):

   I$\displaystyle : \qquad \frac{\partial q_\ell}{\partial Q_k} \frac{\partial^2 F_...
...tial P_i}{\partial Q_k}, \qquad
p_i  =  \frac{\partial F_2}{\partial q_i} .
$

Für die Relationen II wird $ q_\ell$ als Funktion der $ P_k$ und $ Q_k $ betrachtet:
  $\displaystyle q_\ell = q_\ell(Q_k.P_k)$    
  $\displaystyle \downarrow$    
$\displaystyle \frac{\partial p_i}{\partial P_k}  =  $ $\displaystyle \frac{\partial}{\partial P_k} \frac{\partial F_2 (q_\ell,P_\ell,t)}{\partial q_i}$ $\displaystyle  = \
\frac{\partial^2 F_2}{\partial P_k  \partial q_i} + \frac...
...ial^2 F_2}{\partial q_i  \partial q_\ell} \frac{\partial q_\ell}{\partial P_k}$  
$\displaystyle \frac{\partial^2 F_2}{\partial q_i  \partial q_\ell} \frac{\partial q_\ell}{\partial P_k}$ $\displaystyle = \
\frac{\partial p_i}{\partial P_k} - \frac{\partial^2 F_2}{\partial P_k  \partial q_i}$ $\displaystyle =
\frac{\partial p_i}{\partial P_k} - \frac{\partial Q_k}{\partial q_i} , \quad Q_k = \frac{\partial F_2}{\partial P_k}.$  

Die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung.
Die Wirkungsfunktion

Wir suchen eine kanonische Transformation

$\displaystyle P_k  =  P_k(p_i,q_i,t), \quad Q_k  =  Q_k(p_i,q_i,t)$ (1279)

derart, daß die neue Hamiltonfunktion

$\displaystyle K(P_k,Q_k,t)  =  H(p_i,q_i,t)  +  \frac{\partial F}{\partial t}  \stackrel{!}{=}  0$ (1280)

Null ist. Dann ist das mechanische Problem vollständig gelöst:
$\displaystyle \dot{P}_k  =  -  \frac{\partial K}{\partial Q_k}  =  0, \quad \Rightarrow \quad P_k  =
 $   const.     (1281)
$\displaystyle \dot{Q}_k  = \quad \frac{\partial K}{\partial P_k}  =  0, \quad \Rightarrow \quad Q_k  =  $   const.     (1282)

Die $ P_k$ und $ Q_k $ sind ein vollständiger Satz von Integralen der Bewegung. Die zur Transformation (12.79) gehörige erzeugende Funktion

$\displaystyle F_2(q_k,P_k,t)  :=  S(q_k,P_k,t) : \quad p_k  =  \frac{\partial S}{\partial q_k}, \quad \quad P_k  = \frac{\partial S}{\partial Q_k},$ (1283)

heißt die Wirkungsfunktion. Setzt man für $ p_k$ aus (12.83) in die Forderung (12.80) ein, ergibt sich die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung

$\displaystyle H \left( p_k = \frac{\partial S}{\partial q_k} , q_k , t\right)  +  \frac{\partial S(q_k,P_k,t)}{\partial t}  =  0.$ (1284)

zur Bestimmung der Wirkungsfunktion.

Zum Beispiel für ein konservatives System mit Potential sind Hamiltonfunktion und Hamilton-Jacobische Differentialgleichung

    $\displaystyle H(p_k,q_k,t)  =   \sum_k \frac{p^2_k}{2m}  +  V(q_k) ,$  
    $\displaystyle \frac{\partial S}{\partial t}  +  \frac{1}{2m}  \sum_k \left(
\frac{\partial S}{\partial q_k } \right)^2  +  V(q_k)  =  0.$  

Die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung ist eine partielle Differentialgleichung für die $ f+1$ Variablen $ q_k$ und $ t$. Die $ P_k$ sind gemäß Gl. (12.81) Konstante. Die Differentialgleichung ist nicht linear und es ist daher aussichtslos, eine allgemeine Lösung (die von willkürlichen Funktionen abhängt) aufsuchen zu wollen. Doch wird eine solche gar nicht benötigt. Es genügt ein vollständiges Integral, dies ist eine Funktion, die von allen $ q_k$, von $ t$ und zusätzlich noch von f willkürlichen Integrationskonstanten $ \alpha_k$ abhängt, die Differentialgleichung befriedigt und noch der folgenden Bedingung genügt:

$\displaystyle S(q_k,P_k = \alpha_k =$   const.$\displaystyle ,t) :$   det$\displaystyle \left( \frac{\partial^2 S}{\partial q_i  \partial \alpha_k} \right)  \neq  0.$ (1285)

Außer den genannten Bedingungen ist das vollständige Integral beliebig. Nach dem Satz von Jacobi erhält man damit die Lösung der ursprünglichen Bewegungsgleichungen

$\displaystyle \dot{p}_k$ $\displaystyle =$ $\displaystyle -  \frac{\partial H}{\partial q_k} ,$ (1286)
$\displaystyle \dot{q}_k$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \quad \frac{\partial H}{\partial p_k}$ (1287)

indem man die willkürlichen Konstanten $ \alpha_k$ mit den konstanten $ P_k$ identifiziert, für die konstanten $ Q_k $ ebenfalls willkürliche Integrationskonstanten $ \beta_k$ festlegt und gemäß Gl. (12.83) setzt
$\displaystyle p_i  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{\partial S(q_k,\alpha_k,t)}{\partial q_i},$ (1288)
$\displaystyle \beta_i  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial S(q_k,\alpha_k,t)}{\partial \alpha_i}.$ (1289)

Aus Gl. (12.89) berechnet man $ q_k = q_k(\alpha_i, \beta_i,t) $. Diese in Gl. (12.88) eingesetzt, ergeben $ p_k = p_k(\alpha_i, \beta_i,t) $. Zum Beweis des Jacobischen Satzes zeigen wir, daß diese Lösungen tatsächlich Gln. (12.86) und (12.87) erfüllen. Differenzieren wir Gl. (12.89) nach $ t$ und Gl. (12.85) nach den $ \alpha_i$.

$\displaystyle \frac{d}{dt}  \frac{\partial S}{\partial \alpha_i}  = \
\frac{...
... + \
\frac{\partial^2 S}{\partial \alpha_i \partial q_k}  \dot{q}_k  =  0,$      
$\displaystyle \frac{\partial^2 S}{\partial t  \partial \alpha_i}  + \
\frac{...
...H}{\partial p_k}  \frac{\partial^2 S}{\partial \alpha_i \partial q_k}  =  0.$      

Wegen (12.85) folgt daraus, daß Gln. (12.87) erfüllt sind. Differenziert man Gl. (12.88) nach $ t$ und (12.85) nach den $ q_i$ , bekommt man die nachfolgenden Gleichungen, aus denen Gln. (12.86) folgen.
$\displaystyle \frac{dp_i}{dt}  =  \frac{\partial^2 S}{\partial t  \partial q_i}  + \
\frac{\partial^2 S}{\partial q_i  \partial q_k}  \dot{q}_k ,$      
$\displaystyle 0  =  \frac{\partial^2 S}{\partial t  \partial q_i}  + \
\fr...
...\partial^2 S}{\partial q_i  \partial q_k} \
\frac{\partial H}{\partial p_i} .$      

Die physikalische Deutung der Wirkungsfunktion findet man, indem man Gl. (12.88) und (12.85) in die folgende Zeitableitung einsetzt:

$\displaystyle \frac{d S(q_k,\alpha_k,t)}{dt}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial S}{\partial q_i}  \dot{q}_i  + \
\frac{\partial S}{\partial t} ,$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle p_i  \dot{q}_i  -  {\cal L} ;$  

$\displaystyle S  =  \int  {\cal L}  dt  +  $   const. (1290)

Die Wirkungsfunktion ist das Zeitintegral über die Lagrangefunktion. Daher kann das Hamiltonsche Prinzip, Gl. (12.2), geschrieben werden als:

$\displaystyle \delta S  =  \delta  \int_{t_0}^{t_1}  {\cal L}(q_k,\dot{q}_k,t)  dt  =  0.$ (1291)

Indem man vom gegebenen Anfangspunkt $ (q_{k_0},t_0) $ zum gegebenen Endpunkt $ (q_{k_1},t_1) $ längs der eindeutig durch die beiden Punkte bestimmten Extremalen integriert, so gilt für diese Wirkungsfunktion $ S$ auch Eikonal oder geodätischer Abstand der beiden Punkte genannt, die Differentialgleichung (12.84), wobei $ S$ als Funktion der Koordinaten des Endpunktes $ (q_{k},t) $ aufgefasst wird. Daraus ergibt sich auch, daß die Flächen $ S =$   const.$ $ geodätisch äquidistant sind, d.h., daß, wenn man das Integral $ \int_{t_0}^{t_1}  {\cal L}(q_k,\dot{q}_k,t)  dt $ längs einer zu den Flächen $ S =$   const.$ $ transversalen Extremale von (12.91) integriert (es wird in dieser Theorie gezeigt, daß gerade die Flächen $ S =$   const.$ $ Transversalflächen zu einer Extremalenschar von (12.91) sind), erhält man für das zwischen zwei Flächen erstreckte Integral unabhängig von der einzelnen Extremale denselben Wert.

$ S = c $ beschreibt eine den für die Bewegung in Frage kommenden Phasenraum schlicht überdeckende Schar von Transversalflächen für die Extremalen von (12.91), also für die möglichen Bahnkurven, vgl. Abbn. 12.7 und 12.8. Allerdings werden durch eine einzige Flächenschar mit dem Parameter $ c$ nicht alle möglichen Bahnkurven erfaßt, denn zu dem vollständigen Integral von (12.85) gehört eine durch (12.89) implizit bestimmte 2$ f$-parametrige Schar von Bahnkurven. Vor allem sieht man daraus auch sofort, daß die Funktion $ S$ nicht eine bestimmte Bewegung festlegen kann, denn diese wird durch die 2$ f$ Parameter $ \alpha_i, \beta_i $ bestimmt, während $ S$ nur von $ f$ Parametern $ \alpha_i$ abhängt. Es gehört also zu dem vollständigen Integral noch eine f-fache Mannigfaltigkeit von Transversalflächen.

Leider gibt es kein allgemein verwendbares Verfahren zum Auffinden eines vollständigen Integrals einer nichtlinearen partiellen Differentialgleichung; man muß ein solches durch Probieren zu erraten suchen. Wenn die Lösung der zugehörigen Newtonschen Bewegungsgleichung bekannt ist, gibt diese über Gl. (12.88) einen Hinweis über das Aussehen der Wirkungsfunktion $ S.$

Als Beispiel zur Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung wird zunächst der Harmonische Oszillator betrachtet:

\begin{displaymath}\begin{array}{rccccc} -  E & + & \frac{p^2}{2m} & + & \frac{...
...right)^2 & + & \frac{m \omega^2}{2}  q^2  & = 0 ; \end{array}\end{displaymath} (1292)

Da der zweite und dritte Term der obigen Gleichungen die Zeit nicht explizit enthalten, schließt man durch Vergleich der ersten Terme auf

$\displaystyle \frac{\partial S}{\partial t}  =  -  E$   und$\displaystyle \quad S  =  -  E  t  +  f(q)
$

und setzt

$\displaystyle S(q,P,t)  =  W(q)  -  E  t .$ (1293)

Für die noch unbestimmte Funktion W(q) ergibt sich eine gewöhnliche Differentialgleichung
    $\displaystyle \frac{1}{2m} \left( \frac{\partial W}{\partial q} \right)^2
 + \...
...{2}  q^2  =  E, \qquad
\frac{dW}{dq}  =  \sqrt{2mE  -  (m \omega q)^2} ;$  
    $\displaystyle W  =  \int \sqrt{()}  dq  =  \frac{1}{2} \
\left[  q  \sq...
...ga q)^2}  +  \frac{2E}{\omega} \arcsin\frac{m \omega q}{\sqrt{2mE}} \right] .$ (1294)

Zusammenfassung der beiden vorhergehenden Gleichungen gibt die Lösung für die Wirkungsfunktion $ S$. Die eine willkürliche Konstante ist hier die Gesamtenergie $ E$. Der neue (konstante) Impuls $ P$ muß von ihr abhängen. Wie sich in §12.7 zeigen wird, ist es zweckmäßig, $ P = 2 \pi E/ \omega $ zu setzen. Man verifiziert leicht, daß die neue Hamiltonfunktion K Null ist:
$\displaystyle S(q, P = \alpha = \frac{ 2 \pi E}{ \omega },t)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2} \
\left[  q  \sqrt{2mE  -  (m \omega q)^2}  + \
\frac{2E}{\omega} \arcsin\frac{m \omega q}{\sqrt{2mE}} \right]$  
$\displaystyle K$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial S}{\partial t}  +  H  = -  E  +  H  =  -  E  +  E  =  0 .$  
$\displaystyle \dot{P}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0, \quad P = \alpha = \frac{ 2 \pi E}{ \omega };
\qquad \dot{Q}  =  0, \quad Q = \beta =$   const.  

Die Bewegung wird gemäß Gln. (12.88) und (12.89) beschrieben durch
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial S}{\partial q}  =  \frac{\partial W}{\partial q}  = \
\sqrt{2mE  -  (m \omega q)^2} ;$  
$\displaystyle \beta$ $\displaystyle =$ $\displaystyle Q =  \frac{\partial S}{\partial \alpha}  =  \frac{\partial S}{...
...\pi} \left( \frac{1}{\omega} \
\arcsin\frac{m \omega q}{2mE}  -  t \right) ;$  
$\displaystyle q  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sqrt{\frac{2 E }{ m \omega^2 }} \
\sin (\omega t  +  2\pi Q),$ (1295)
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sqrt{2 m E }  \cos (\omega t  +  2\pi Q).$ (1296)

Man sieht, $ Q$ ist die Phasenkonstante des Oszillators.

Als zweites Beispiel betrachten wir die Bewegung eines Teilchens in einem räumlich homogenen, zeitlich linear anwachsenden Feld; die Newtonsche Bewegungsgleichung und ihre Lösung sind

$\displaystyle m\ddot{x}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle F  =  A t  =  -  \frac{\partial V}{\partial x}, \qquad
V  =  - A x t, \quad A  =  $   const.  
$\displaystyle p  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle m  \dot{x}  =  \frac{A t^2 }{2}  +  m  \dot{x}_0  = \
\frac{A t^2}{2}  +  \alpha  =  \frac{\partial S}{\partial x} .$ (1297)

Die letzte Gleichung (vgl. (12.88)) legt folgenden Ansatz nahe:

$\displaystyle S  =  \frac{A t^2 x}{2}  +  \alpha x  +  \phi (t) .$ (1298)

Dieser wird in die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung (12.85) eingesetzt und gibt

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccc}
\frac{\partial S}{\partial t} & + & \fr...
...c{a t^2 }{2} + \alpha\right)^2 &
-  A t x & =  0.
\end{array}\end{displaymath}


$\displaystyle \phi (t)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \frac{1}{m}  \left( \frac{A^2 t^5}{40}  +  \frac{\alpha A t^3}{6}
 +  \frac{\alpha^2 t}{2} \right) ,$  
$\displaystyle S(q,\alpha,t)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{A t^2 x}{2}  +  \alpha x  - \
\frac{1}{m}  \left( \frac{A^2 t^5}{40}  +  \frac{\alpha A t^3}{6}
 +  \frac{\alpha^2 t}{2} \right) .$ (1299)

Die Bewegung berechnet man aus $ S$ gemäß (12.88), (12.97) und (12.89) :

$\displaystyle \beta  =  Q  =  \frac{\partial S}{\partial \alpha}  =  x  ...
...{m} t ,
\quad x  =  \frac{A t^3}{6 m}  +  \frac{\alpha}{n} t  +  \beta .
$

Die Konstanten $ \alpha $, $ \beta $ können mit Anfangsimpuls und -lage identifiziert werden.

Gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen. Unterschiede in der Lösungsmannigfaltigkeit

Gewöhnliche Differentialgleichungen

Bei einer gewöhnlichen Differentialgleichung 1. bzw. 2. Ordnung, z.B.

$\displaystyle y'(x)  +  p(x)  y(x)  =  0,$   bzw.$\displaystyle \qquad
y''(x)  +  p(x)  y'(x)  +  q(x)  y(x)  =  0,
$

besteht das System der Lösungen aus ein ($ y_1 (x)$) bzw. zwei ( $ y_1 (x),  y_2 (x)$) Fundamentallösungen. Die Gestalt der Funktionsoperatoren $ y_i ()$ wird durch die Differentialgleichung festgelegt. Die allgemeine Lösung hat dann die Form:

$\displaystyle y(x)  =  c_1  y_1 (x),$   bzw.$\displaystyle \qquad
y(x)  =  c_1  y_1 (x),y(x)  +  c_2  y_2 (x).
$

Die zunächst willkürlichen Konstanten $ c_i$ werden durch die Anfangs-, eventuell Randbedingungen, festgelegt.

Partielle Differentialgleichungen: Allgemeine Lösung und vollständiges Integral

Als Beispiel einer partiellen Differentialgleichung wird zunächst die Wellengleichung betrachtet:

$\displaystyle \hspace*{30mm} \frac{\partial^2 u}{\partial x^2}  -  \frac{1}{c^2} \
\frac{\partial^2 u}{\partial t^2}  =  0 .$   (a)$\displaystyle  $

Die d'Alembertsche Lösungsmethode führt auf folgende Gestalt der allgemeinen Lösung:
$\displaystyle u(x,t)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  w_1 (g_1 (x,t))   +   w_2 (g_2 (x,t))  =$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  w_1 (x - ct) \quad + \quad w_2 (x + ct) ;$   (b)  
mit$\displaystyle \qquad\qquad g_1 (x,t)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  x - ct, \qquad \qquad g_2 (x,t)  =  x + ct.$   (c)  

Die Funktionsoperatoren $ w_i ()$ in (b) sind vollständig willkürlich; sie müssen nur zweimal differenzierbar sein. Man überzeugt sich leicht durch Einsetzen von (b) in (a), daß (b) eine Lösung ist, ganz gleich wie die $ w_i ()$ beschaffen sind. Die partielle Differentiagleichung legt also nur fest, von welchen Kombinationen der unabhängigen Variablen die Lösungen abhängen müssen; in obigem Beispiel sind das die in (c) angegebenen Funktionen $ g_1 (x,t)$ und $ g_2 (x,t)$. Eine partielle Differentialgleichung läßt also den Lösungen unendlich mehr Freiheit als eine gewöhnliche. Erst die Anfangsbedingungen längs einer Kurve legen die Funktionsoperatoren $ w_i ()$ fest.

Beispiele solcher Funktionen sind in Abb. 12.6 dargestellt.

Abbildung: Beispiele von Lösungen der Wellengleichung: a) Ein Puls mit unendlich steilen Flanken. b) Ein Puls mit glatten Flanken. c) Ein Puls einer harmonischen Schwingung.
\includegraphics[width=12.5cm]{K12Pulses}

Die Differentiagleichung (a) besagt nur, daß sich eine Störung mit der Geschwindigkeit $ c$ längs der $ x$-Achse, (z.B. längs eines Drahtes oder einer Saite) ausbreitet. Die Gestalt des Signals hängt von der Anregung am Anfang ab. Ein Puls mit unendlich steilen Flanken ist zwar dort nicht differenzierbar, im übrigen ist er ein Lösung.

Die charakteristischen Lösungen (wie im Beispiel (c)) werden durch die charakteristischen Gleichungen der partiellen Differentialgleichung festgelegt; diese sind ein System von gewöhnlichen Differentialgeichungen. Bei der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung sind dies die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen.

Bei einer nichtlinearen partiellen Differentialgleichung ist es sehr schwierig, oft sogar unmöglich, die allgemeine Lösung anzugeben. Für die Anwendung in der Hamilton-Jacobischen Integrationstheorie wird aber eine solche gar nicht benötigt. Sondern es genügt ein vollständiges Integral. Ein solches ist eine gegebene Funktion der Variablen $ q_k$, die auch noch von $ f$ Integrationkonstanten $ \alpha_k$ abhängt

$\displaystyle S  =  S(q_1, q_2, ...,q_f;\alpha_1,\alpha_2,...,\alpha_f;t)
$

und die partielle Differentialgleichung erfüllt.

Meist wird zum Auffinden eines solchen vollständigen Integrals die Methode der Separation der Variablen (§12.8) herangezogen, wenn diese anwendbar ist.


Die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung für die verkürzte Wirkungsfunktion

Wenn die Lagrangefunktion, damit auch die Hamiltonfunktion, nicht explizit von der Zeit abhängen, ist die Hamiltonfunktion zeitlich konstant

$\displaystyle \frac{\partial {\cal L}}{\partial t}  =  0 \quad \Rightarrow \quad \frac{\partial H}{\partial t}  =  0, \qquad H  =  $   const. (12100)

Dann kann man folgenden Ansatz für die Wirkungsfunktion machen

$\displaystyle S(q_k, \alpha_k, t)  =  W(q_k, \alpha_k, t)  -  \alpha_1 t$ (12101)

und die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung (12.85) wird

$\displaystyle H \left( \frac{\partial W}{\partial q_k}, q_k \right)  =  \alpha_1  =  $   const. (12102)

$ W$ heißt die verkürzte Wirkungsfunktion oder Hamiltonsche charakteristische Funktion. Auch hier genügt für unsere Zwecke ein vollständiges Integral,

$\displaystyle W  =  W ( q_k, \alpha_1 , \alpha_2 , ... , \alpha_f) ,$ (12103)

das außer von $ \alpha_1$ noch von weiteren $ f-1$ willkürlichen Integrationskonstanten $ \alpha_2 , ..., \alpha_f $ in nichttrivialer Weise abhängt. Meist ist die Hamiltonfunktion gleich der Gesamtenergie $ E$, so daß nach (12.102) gilt;

$\displaystyle H  =  E  =  \alpha_1 .$ (12104)

Dann wird aus der Wirkungsfunktion (12.101) und der Hamilton-Jacobi-Gleichung (12.102):
$\displaystyle S( q_k, E , \alpha_2 , ... , \alpha_f,t)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
W( q_k, E , \alpha_2 , ... , \alpha_f)  -  E t  ;$  
      (12105)
$\displaystyle H \Big( \frac{\partial W}{\partial q_k}, q_k \Big)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle E .$  

Die letzte Gleichung läßt sich auch in folgender Form schreiben:

grad$\displaystyle W  =  2 m  (E  -  V(\vec{r})) .$ (12106)

Der zeitunabhängige Anteil $ W$ der Wirkungsfunktion $ S$ kann auch als eine selbständige Erzeugende einer kanonischen Transformation im engeren Sinn, Gln. (12.52) und (12.53) betrachtet werden:

$\displaystyle F_2 (q_k,P_k)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle W(q_k,P_k): \quad p_k  =  \frac{\partial W}{\partial q_k},  \
P_k  =  \frac{\partial W}{\partial Q_k};$ (12107)
$\displaystyle \frac{\partial W}{\partial t}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0: \qquad\qquad   H(p_k,q_k)  =  K(P_k) ;$ (12108)
$\displaystyle \dot{P}_k$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \frac{\partial K}{\partial Q_k} , \qquad P_k  =  $   const.$\displaystyle  :=  \alpha_k ,$ (12109)
$\displaystyle \dot{Q}_k$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  -  \frac{\partial K}{\partial P_k}  =  $   const.$\displaystyle  :=  \nu_k (\alpha_i), \quad
Q_k  =  \nu_k  t  +  \beta_k .$ (12110)

Wir fordern, daß die durch $ W$ erzeugte kanonische Transformation eine neue Hamiltonfunktion liefert, die in allen neuen Koordinaten zyklisch ist. Dann sind alle neuen Impulse $ P_k$ zeitlich konstant; deswegen sind auch die neue Hamiltonfunktion und deren partielle Ableitungen $ \nu_k$ zeitlich konstant. $ \alpha_k$, $ \beta_k$ sind willkürliche Integrationskonstanten, die durch die Anfangsbedingungen festgelegt werden. Aus $ H(p_k, q_k) = K(P_k)$ = const. folgt durch Einsetzen von $ p_k = \partial W/ \partial q_k $ wieder die Hamilton-Jacobische Differentialgleichung (12.102) für die verkürzte Wirkungsfunktion; womit gezeigt ist, daß diese Differentialgleichung die Erzeugende $ W$ der gewünschten kanonischen Transformation bestimmt.

Wird nun wieder die Gesamtenergie $ E$ mit einer der willkürlichen Integrationskonstanten, z.B. mit $ \alpha_1 = E $ identifiziert, dann gilt (vgl. Gl. (12.105))

$\displaystyle H(p_k, q_k)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \alpha_1  =  E  = P_1  =  K,\quad
H \big( \frac{\partial W}{\partial q_k} , q_k \big) =  E,$  
$\displaystyle \dot{Q}_1$ $\displaystyle =$ $\displaystyle t  +  \beta_1,$  
$\displaystyle \dot{Q}_i$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \beta_i,\quad i = 2,...,f.$ (12111)

Die physikalische Bedeutung der verkürzten Wirkungsfunktion ersieht man aus der folgenden Zeitableitung (wobei Gl. (12.102) benützt wird):

$\displaystyle \frac{dW}{dt}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sum_i \frac{\partial W}{\partial q_i}  \dot{q}_i  =  \sum_i  p_i \dot{q}_i ,$  
$\displaystyle W$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \int  \sum_i  p_i \dot{q}_i  dt  =  \int \sum_i  p_i dq_i  =  2  \int T  dt.$  

Die letzte Gleichsetzung gilt aber nur, wenn in der Lagrange- oder Hamiltonfunktion keine geschwindigkeitsabhängigen Potentiale auftreten und $ T$ eine quadratische Form der $ \dot{q}_k$ ist (vgl. § 12.1.1 und §12.1.2). Dann ist die Wirkungsfunktion proportional dem Integral über die kinetische Energie.

Um die Bedeutung von $ S$ und $ W$ deutlich zu machen, wird Gl. (12.102) noch genauer untersucht. Die Flächen $ W$ = const. bilden im $ {\mathbb{R}} $ der $ q_k$ eine raumfeste Flächenschar. Zur Zeit $ t$ = 0 fallen sie mit den Flächen $ S$ = const. zusammen; im Laufe der Zeit wandern die Flächen $ S$ = const. über die Flächen $ W$ = const. hinweg. Wegen (12.88) bzw. (12.102) gilt, daß der Vektor $ p_i$ senkrecht zu den Flächen $ S$ = const. steht, in diesem Falle also auch senkrecht auf den Flächen $ W$ = const. steht. Wenn man der Einfachheit halber die Bewegung eines Teilchens in kartesischen Koordinaten betrachtet, so fällt der kanonische Impuls mit dem gewöhnlichen zusammen und die Bahnkurven durchsetzen die Flächen $ W$ = const. senkrecht. Orthogonalität und Transversalität fallen zusammen. Die Flächen konstanter Wirkung wandern durch den Raum; dies bedeutet eine Ähnlichkeit mit der Optik, wo die Wellenflächen ebenfalls durch den Raum wandern und die Lichtstrahlen orthogonale Trajektorien sind (s. Abbn. 12.7 und 12.8).

Abbildung: Der schräge Wurf im Schwerefeld. Die strichlierten Kurven geben Wurfparablen zum gleichen Wert der Gesamtenergie $ E$ und des transversalen Impulses $ p_x =$ const. Die ausgezogenen Kurven entsprechen den Flächen $ W$ = const. Die Flächen, hier Kurven $ S$ = const. haben die gleiche Gestalt; sie streichen aber im Laufe der Zeit über die Kurven $ W$ = const. hinweg.
\includegraphics[width=12.5cm]{K12WPlo1}

Abbildung: Die strichlierten Kurve ist eine Wurfparabel; die Punkte geben die Lagen des Massenpunktes für gleiche Zeitintervalle. Die Kurven durch die Punkte geben die Kurven $ W$ = const. Eine Simulation des Vorganges findet sich im Notebook: K12WPlot.nb.
\includegraphics[height=6.8cm]{K12WPlo2}


Separable Systeme. Mehrfach periodische Bewegung

Lösung der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung durch Separation

In §12.7 wurde ein vollständiges Integral der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung für gewisse eindimensionale Probleme durch Raten gefunden. Diese Vorgangsweise wird umso schwieriger, je größer die Zahl der Variablen, d.h. je größer der Freiheitsgrad $ f$ ist. Ein in gewissen Fällen verwendbares Verfahren zum Auffinden eines vollständigen Integrales der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung (12.102

$\displaystyle H\left(\frac{\partial W}{\partial q_k},q_k\right) =  $    const. (12112)

ist Separation. Es wird angenommen, daß das vollständige Integral die folgende Form hat:

$\displaystyle W(q_k,\alpha_k)=\sum_{i=1}^f W_i(q_i,\alpha_1,\alpha_2,...,\alpha_f).$ (12113)

$ W_i$ darf nur von der einzigen Variablen $ q_i$ abhängen. Wenn es gelingt, durch einen derartigen Ansatz die partielle Differentialgleichung (12.112) in f gewöhnliche Differentialgleichungen der Form

$\displaystyle H_i\left(\frac{dW}{dq_i},q_i;\alpha_1,\alpha_2,...,\alpha_f \right) = \alpha_i,\qquad i = 1,2,...,f$ (12114)

aufzuspalten, dann heißt das betreffende System separabel. Die Separierbarkeit der Differentialgleichung (12.112) hängt vom physikalischen System (also von der Hamiltonfunktion) und von der Wahl der (krummlinigen) Kooridnaten ab. Z.B. ist die Hamilton-Jacobi-Gleichung für ein konservatives System mit sphärischem Potential in Kugelkoordinaten separabel, im allgem. aber nicht in anderen, z.B. in Kartesischen. Ein System heißt separabel, wenn es irgendwelche Koordinaten gibt, in denen die eben beschriebene Separation der Hamilton-Jacobi-Gleichung möglich ist.

Dann können die Gln. (12.114) nach der einzigen auftretenden Ableitung aufgelöst und integriert werden.

$\displaystyle \frac{dW_i}{dq_i}\;=$ $\displaystyle \;f_i(q_i;\alpha_1,\alpha_2,...,\alpha_f)$ (12115)
$\displaystyle W_i\;=$ $\displaystyle \;\int_{q_i} dq_i f_i(q_i;\alpha_1,\alpha_2,...,\alpha_f)$    

Insbesondere ist ein System separabel, wenn alle Variablen bis auf eine, z.B. $ q_1$, zyklisch sind:
$\displaystyle \dot{p_i}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle -\frac{\partial H}{\partial q_i}    =    -\frac{\partial
H}{\partial q_i}\delta_{i1},$ (12116)
$\displaystyle H=H(p_i,q_1):\qquad\quad p_i$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\partial W}{\partial q_i}   =   
\frac{\partial W_i}{\partial q_i}  =  \alpha_i,\quad W_i= \alpha_iq_i$   mit$\displaystyle \quad i\ne 1.$  

Die Anteile $ W_2,...,W_f$ für die Variablen $ q_2,...,q_f$ der verkürzten Wirkungsfunktion sind damit bekannt; für den Summanden $ W_1$ der nichtzyklischen Variablen erhält man eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung, nach deren Integration die gesamte verkürzte Wirkungsfunktion gefunden ist:

  $\displaystyle H\left(\frac{dW_1}{dq_1},q_1;\alpha_2,...,\alpha_f \right)\;=\;\alpha_1,$    
  $\displaystyle W\;=\;W_1(q_1;\alpha_1,...,\alpha_f)+\sum_{i=2}^f \alpha_iq_i.$ (12117)

Ein Beispiel für diesen Fall ist das ebene Zentralkraftproblem, in dem die Variable $ \varphi$ zyklisch ist.

$\displaystyle H\; =\; \frac{1}{2m} \left(p_r^2+\frac{p_{\varphi}^2}{r^2} \right)+ V(r).$ (12118)

Die verkürzte Wirkungsfunktion ist:

$\displaystyle W\;=\;W_1(r)\; +\; \alpha_{\varphi}\varphi,\qquad \alpha_2=\alpha_{\varphi}.$ (12119)

Der zu $ q_1 = r$ gehörige Anteil $ W_1$ genügt der Differentialgleichung

$\displaystyle \frac{1}{2m}\left[\left(\frac{dW_1}{dr}\right)^2   +  \frac{\al...
...1}{dr}=\sqrt{2m\left[\alpha_1-V(r) \right] - \frac{\alpha_{\varphi}^2}{r^2}}.$    

Wir werden die Integration nicht ausführen, sondern schreiben nur

$\displaystyle W\;=\;\int dr\sqrt{2m\left[\alpha_1-V(r) \right]-\frac{\alpha_{\varphi}^2}{r^2}}+\alpha_{\varphi}\varphi.$ (12120)

Damit findet man gemäß Gl. (12.107) das Endresultat

$\displaystyle Q_1\;=$ $\displaystyle \;t+\beta_1\;=\;\frac{\partial W}{\partial \alpha_1} =\;\int \frac{m  dr}{\sqrt{2m\Bigl[\alpha_1-V(r) \Bigr]-\frac{\alpha_{\varphi}^2}{r^2}}},$    
  (12121)
$\displaystyle Q_2\;=$ $\displaystyle \;\beta_2 \;=\;\frac{\partial W}{\partial \alpha_2}\;=\;-\int\fra...
...rt{2m\Bigl[\alpha_1-V(r) \Bigr]-\frac{\alpha_{\varphi}^2}{r^2}}}\; +\; \varphi.$    

Die erste Gleichung gibt die Zeit als Funktion des Radius $ r$, nach der Inversion den Radius als Funktion der Zeit. Die zweite Gleichung gibt $ \varphi = \varphi (r)$. Beide Lösungen hängen von den Integrationskonstanten $ \alpha_1$, $ \alpha_2=\alpha_{\varphi}$, $ \beta_1$ und $ \beta_2$ ab.


Periodische und mehrfach periodische Bewegung. Wirkungs- und Winkelvariable.

Zuerst betrachten wir die Bewegung eines konservativen Systems mit einem Freiheitsgrad, $ f$ = 1. Der Zustand wird durch das Paar kanonisch konjugierter Variablen $ p$ und $ q$ beschrieben. Ein System heißt periodisch, wenn es nach einer endlichen Zeitdauer $ T$ wieder im gleichen Zustand ist.

$\displaystyle q(t + nT)\;$ $\displaystyle = \;q(t),\qquad$    
  $\displaystyle \qquad\qquad n\;=\;0, \pm 1, \pm 2, ...$    
$\displaystyle p(t + nT)\;$ $\displaystyle = \;p(t).$    

Diese allgemeine Bedingung folgt bereits aus dem Fall mit n = 1:

$\displaystyle q(t + T)\; =\; q(t), \qquad\qquad p(t + T)\; =\; p(t).$ (12122)

Denn jeder andere Wert von n kann durch fortgesetzte Anwendung von (12.122) erreicht werden. Bei einer periodischen Bewegung ist die Bewegung auf einen endlichen Bereich im Ortsraum beschränkt. Doch müssen die Variablen, die die Bewegung beschreiben, nicht endlich bleiben. Aus der Theorie des mathematischen Pendels, §12.2.2, Abb. 12.2, kann man dies ersehen. Bei $ E > mgl$ rotiert das Pendel, die Koordinaten $ x$, $ y$ sind zwar endlich, $ \vert x\vert\le l$, $ \vert y\vert\le l$; jedoch der Winkel $ \varphi$ wächst von $ -\infty$ bis $ +\infty$ (oder umgekehrt). Abgesehen von der Limitationsbewegung, sind zwei Fälle möglich: Libration bzw. Nutation. Bei Libration gehorchen beide Variablen $ p$ und $ q$ den Bedingungen (12.122); bei Nutation weist $ q$ eine Periode $ q_0$ auf. Zieht man diese heraus, so erfüllt der Rest von $ q$ und $ p$ wieder (12.122), s. Abb. 12.9.

Abbildung 12.9: a) Libration (Oszillation) b) Nutation (Rotation)
[] \includegraphics[scale=0.8]{k12_libration} [] \includegraphics[scale=0.8]{k12_nutation}

Für ein konservatives System, das den Periodizitätsbedingungen (12.122) genügt, wird nun ein vollständiges Integral der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung (12.102) aufgesucht. Dies liefert die erzeugende Funktion $ W$, Gl. (12.103), einer kanonischen Transformation

$\displaystyle p = p(P,Q) \qquad q = q(P,Q)$    

derart, daß für die neuen Variablen $ P$ und $ Q$ gilt:

$\displaystyle P$ $\displaystyle = \alpha =$   const. (12123)
$\displaystyle Q$ $\displaystyle = \gamma t + \beta , \quad \beta =$   const. (12124)

Durch diese Vorgangsweise sind $ P$ und $ Q$ noch nicht völlig eindeutig bestimmt. Es gibt ein kanonisch konjugiertes Variablenpaar, das besonders zweckmäßig ist, die Wirkungsvariablen J und die Winkelvariable w. Letztere ist so normiert, daß die Periodizitätsbedingungen lauten

$\displaystyle p(w + 1) = p(w), \qquad\qquad q(w + 1) = q(w),$ (12125)

die Periode also den Wert 1 hat. Z.B. beim Harmonischen Oszillator, Gl. (12.95) und (12.96), kann man setzen:

$\displaystyle w =: \frac{\omega t}{2\pi} \qquad q=\frac{\sqrt{2mE}}{m\omega}\cos (2\pi w +\varphi_0)$    

Für $ P = J$ und $ Q = w$ lauten die kanonischen Gleichungen (12.107):

$\displaystyle H(p,q) = K(J):\qquad \frac{dJ}{dt}$ $\displaystyle =-\frac{\partial K}{\partial w}=0,\quad J =$   const.$\displaystyle ;$    
$\displaystyle \frac{dw}{dt}$ $\displaystyle =\frac{\partial K}{\partial J}=const =:\gamma(J),$ (12126)
$\displaystyle w$ $\displaystyle =\gamma t +\beta.$    

Bei Zutreffen der Bedingung (12.125) kann man die Grundfrequenz des Systems sofort aus der neuen Hamiltonfunktion $ K(J)$ bestimmen

$\displaystyle \nu(J) = \frac{dK}{dJ}.$ (12127)

In Fällen, wo man sich nur für die Grundfrequenz des Systems, nicht so sehr für Details der Bewegung interessiert, ist dieses Verfahren sehr bequem.

Beweis der Gl. (12.127): Die periodische Form $ q(w)$ aus (12.125) läßt sich in eine Fourierreihe entwickeln:

$\displaystyle q(w) = \sum_{n=-\infty}^{\infty}B_n e^{2\pi i n w} = q(w + 1).$ (12128)

Andererseits kann man eine periodische Funktion mit der Grundfrequenz $ \nu = 1/T$ in folgende Fourierreihe entwickeln:

$\displaystyle q(\nu t) = \sum_{n=-\infty}^{\infty}C_n e^{2\pi i n \nu t}$ (12129)

Vergleich von (12.128) mit (12.129) gibt unter Beachtung von (12.126):

$\displaystyle \nu= \gamma (J) = \frac{dK}{dJ}.$    

Oben ist die Wirkungsvariable $ J$ als die zur zyklischen, auf die Periode 1 normierten Winkelvariable $ w$ kanonisch konjugierte Variable definiert worden. Eine für die praktische Berechnung bequemere Definition ist die durch das Phasenintegral:

$\displaystyle \alpha = J =\oint p dq.$ (12130)

Darin erstreckt sich das Integral über eine vollständige Periode des Systems. Die Äquivalenz dieser Definition des Paares $ J$, $ w$ mit der vorhergehenden wird bewiesen, indem gezeigt wird, daß w um 1 zunimmt, wenn das System eine volle Periode durchläuft. Aus der erzeugenden Funktion $ W(q, \alpha = J)$ folgt:
\begin{subequations}\begin{align}p &= \frac{\partial W}{\partial q}, w &= \frac{\partial W}{\partial J}. \end{align}\end{subequations}

Betrachtet man $ w$ gemäß (12.131) als Funktion von $ q$ und $ J$, gilt für das Differential:

$\displaystyle dw=\frac{\partial w}{\partial q}dq+\frac{\partial w}{\partial J}dJ=\frac{\partial^2 W}{\partial q\partial J}dq.$    

Da gemäß Gl. (12.126) $ J =$   const. ist, gilt für jede Phasenbahn $ dJ = 0$. Danach wird noch Gl. (12.131b) eingesetzt. Die totale Änderung $ \Delta w$ von $ w$ für den Umlauf des Systems um eine Periode ist 1, wenn für $ J$ das Phasenintegral (12.130) eingesetzt wird:

$\displaystyle \Delta w = \oint dw = \oint \frac{\partial{}^2 W}{\partial q\part...
...ial q}dq=\frac{\partial}{\partial J}\oint pdq =\frac{\partial J}{\partial J}=1.$    

Zum Schluß das Ganze als einfaches Rezept zusammengefaßt: Aus der Hamiltonfunktion berechnet man den Impuls als Funktion von $ q$ und $ \alpha $; damit das Phasenintegral als Funktion von $ \alpha $. Inversion gibt $ \alpha $ als Funktion von $ J$, damit die neue Hamiltonfunktion $ K(J)$. Die Grundfrequenz $ v$ ist die Ableitung von $ K$ nach $ J$.

$\displaystyle H(p,q)  $ $\displaystyle =$   const.$\displaystyle = \alpha, \quad\longrightarrow\quad p = p(q,\alpha) ;$    
  $\displaystyle \hspace{1.6cm}\rule[-0.95mm]{2.4cm}{0.15mm}\hspace{-0.4mm}\vert$    
  $\displaystyle \hspace{1.135cm}\swarrow$    
$\displaystyle J(\alpha)$ $\displaystyle = \oint pdq = \oint \frac{\partial W}{\partial q}dq \quad\longrightarrow\quad \alpha =\alpha (J),$ (12132)
$\displaystyle H(p,q)  $ $\displaystyle = \alpha (J) = K(J), \qquad \nu= \frac{dK}{dJ}.$    

z.B. beim Harmonischen Oszillator ist die Hamiltonfunktion

$\displaystyle H = \frac{p^2}{2m}+\frac{m\omega^2q^2}{2}=E=\alpha.$    

Das Phasenintegral entspricht der Fläche, die von der zum Wert $ E$ gehörigen elliptischen Phasenbahn (Abb. 12.1) eingeschlossen wird.

$\displaystyle J$ $\displaystyle = \oint pdq = \pi\sqrt{2mE}\sqrt{\frac{2E}{m\omega^2}}=\frac{2\pi E}{\omega},\qquad E=\frac{J\omega}{2\pi} ;$    
  (12133)
$\displaystyle H  $ $\displaystyle = E = J\frac{\omega}{2\pi} = K,\qquad\longrightarrow\qquad \nu= \frac{\partial K}{\partial J} = \frac{\omega}{2\pi}.$    

Ein System von mehreren Freiheitsgraden, $ f > $1, ist im allgemeinen nicht periodisch, selbst wenn jedes der kanonisch konjugierten Paare für sich periodisch ist:

$\displaystyle q_k(t+T_k)=q_k(t),\qquad p_k(t+T_k)=p_k(t), \qquad k= 1,2,...,f .$    

Z.B. Für einen zweidimensionalen Harmonischen Oszillator, der in der x-Richtung die Frequenz $ \omega _1$, in der y-Richtung die Frequenz $ \omega _2$ aufweist, lautet eine partikuläre Lösung:

$\displaystyle x = A_1 \cos (\omega_1 t),\quad y = A_2 \sin (\omega_2 t),\quad p_x = m\dot{x},\quad p_y = m\dot{y}.$    

Ist das Verhältnis $ \omega _1$ : $ \omega _2$ eine rationale Zahl (``$ \omega _1$ und $ \omega _2$ sind kommensurabel''), dann gibt es eine Superperiode $ T$, nach der das System wieder seinen Ausgangszustand erreicht. Die Bahn ist eine LISSAJOUS-Kurve (Abb. 4.12(a)). Sind $ \omega _1$ und $ \omega _2$ (damit auch $ T_1$ und $ T_2$) inkommensurabel, dann nimmt ein System einen einmal durchlaufenen Zustand nie wieder an. Im Ortsraum füllt die Bahn das Rechteck $ -A_1\le x \le A_1$, $ -A_2\le y \le
A_2$ allmählich vollständig aus, (Abb. 4.12(b)); ebenso wird im Phasenraum ein Parallelelepiped von der Phasenbahn vollständig erfüllt.

Ganz allgemein ist bei mehreren Freiheitsgraden eine Bewegung nur dann periodisch, wenn die Perioden $ T_1$, $ T_2$,..., $ T_f$ der einzelnen Bewegungsrichtungen paarweise kommensurabel sind. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, dann kehrt das System nie zu irgendeinem in der Vergangenheit angenommenen Zustand zurück, obwohl es in jedem Variablenpaar $ p_k$,$ q_k$ für sich periodisch ist. Ein solches System heißt mehrfach periodisch oder fastperiodisch. Wieder können die Koordinaten in eine $ f$-fache Fourierreihe entwickelt werden ( $ \nu_i = \omega_i/2\pi$)

$\displaystyle q_j(t) = \sum_{n_1, n_2,..., n_f}C_{n_1n_2...n_f}^j  e^{2\pi(n_1\nu_1t+n_2\nu_2t+...+n_f\nu_ft)}.$ (12134)

Ist das System separabel, dann kann man ein vollständiges Integral

$\displaystyle W(q_1, q_2,...,q_f;\alpha_1, \alpha_2,..., \alpha_f)=\sum_{i=1}^f W_i(q_i;\alpha_1, \alpha_2,..., \alpha_f)$    

der Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung (12.102) finden; dieses ist die Erzeugende einer kanonischen Transformation, die das System $ p_k$, $ q_k\; (k = 1,2,
....,f)$ in ein zyklisches ($ P_k$,$ Q_k $) überführt. Wir normieren alle $ Q_k $ wieder auf Periode 1, so daß wir einen Satz von Winkelvariablen $ w_k$ und Wirkungsvariablen $ J_k$ erhalten

$\displaystyle p_k, q_k\qquad\longrightarrow\qquad P_k = J_k,\;\; Q_k = w_k;\qquad H(p_k, q_k) = K(J_k);$    

$\displaystyle \frac{dJ_k}{dt}$ $\displaystyle = -\frac{\partial K}{\partial w_k}\qquad\Longrightarrow\qquad J_k =$   const.$\displaystyle ,$    
$\displaystyle \frac{dw_k}{dt}$ $\displaystyle = \frac{\partial K}{\partial J_k}=:\gamma(J_i)=$const.$\displaystyle \qquad\Longrightarrow\qquad w_k = \gamma_k t +\beta_k,\quad \beta_k=$const.$\displaystyle ;$    


\begin{displaymath}\begin{array}{cc} \left.\begin{array}{lcr} q_k(w_1, w_2,..., ...
...2,..., f; i & = & 1, 2,..., f. \end{array}\right. \end{array}\end{displaymath}    

Die letzte Gleichung impliziert wieder:

  $\displaystyle q_k(w_1+n_1, w_2+n_2,...,w_f+n_f)\; =\; q_k(w_1, w_2,..., w_f),\qquad n_i \in {\mathbb{N}}  ;$    
  $\displaystyle q_k \;= \sum_{n_1, n_2,..., n_f}B_{n_1n_2...n_f}^k  e^{2\pi i(n_1w_1+n_2w_2+...+n_fw_f)}.$ (12135)

Wieder folgt aus dem Vergleich von (12.134) mit (12.136) unter Beachtung von (12.135), daß die Grundfrequenzen des Systems aus der Hamiltonfunktion berechnet werden können:

$\displaystyle \gamma_k(J_i) =: \nu_k(J_i) = \frac{\partial K}{\partial J_k}.$ (12136)

Die Wirkungsvariablen können auch durch das Phasenintegral

$\displaystyle J_k = \oint P_kdq_k$ (12137)

definiert werden. Das Integral ist über eine volle Periode der Variablen $ q_k$ zu erstrecken. Wir zeigen, daß die zugehörige Winkelvariable

$\displaystyle w_k=\frac{\partial K}{\partial J_k}$

einen Zuwachs von 1 erfährt, wenn $ q_k$ eine Periode durchläuft; während $ w_k$ sich nicht ändert, wenn $ q_i\ne q_k$ eine volle Periode durchläuft. Einer Änderung von $ q_i$ (bei fixen $ q_s$, $ s \ne i$) entspricht folgendes Inkrement von $ w_k$

$\displaystyle d_iw_k\;=\;\frac{\partial w_k}{\partial q_i}dq_i + \frac{\partial...
...w_k}{\partial q_i}dq_i\; = \;\frac{\partial^2 W}{\partial J_k\partial q_i}dq_i.$ (12138)

Für eine volle Periode $ T_i$ beträgt die Änderung von $ w_k$

$\displaystyle \Delta_iw_k\; =\; \oint d_iw_k\;$ $\displaystyle =\; \oint \frac{\partial^2 W}{\partial J_k\partial q_i}dq_i\; =\; \frac{\partial}{\partial J_k}\oint \frac{\partial W}{\partial q_i}dq_i\; =$    
  $\displaystyle =\; \frac{\partial}{\partial J_k}\oint p_idq_i\; = \;\frac{\partial J_i}{\partial J_k}\; =\; \delta_{ik}$    

mit

$\displaystyle p_i=\frac{\partial W}{\partial q_i}.$


Das Zentral- und das Keplerproblem

Als Anwendung der in §12.8 entwickelten Theorie wird die Lösung des Zentralkraft- und des Keplerproblems durch Separation der zugehörigen Hamilton-Jacobischen Differentialgleichung für die verkürzte Wirkungsfunktion vorgeführt. In Kugelkoordinaten lautet diese:

$\displaystyle H\left(\frac{\partial W}{\partial q_k},q_k\right) = \frac{1}{2m}\...
...vartheta}\left(\frac{\partial W}{\partial \varphi} \right)^2\right] + V(r) = E.$ (12139)

Wir machen den Separationsansatz:

  $\displaystyle W(r,\vartheta,\varphi) = W_1(r)+W_2(\vartheta)+W_3(\varphi)$    
  (12140)
$\displaystyle \Longrightarrow\qquad$ $\displaystyle \frac{\partial W}{\partial r} = \frac{dW_1}{dr},\quad\frac{\parti...
...2}{d\vartheta},\quad\frac{\partial W}{\partial \varphi} = \frac{dW_3}{d\varphi}$    

und schreiben damit Gl. (12.140) um

$\displaystyle \left\{2m\left[V(r)-E\right] + \left(\frac{dW_1}{dr} \right)^2+\f...
... \right\}r^2\sin^2\vartheta\; =\; - \left(\frac{dW_3}{d\varphi} \right)^2\; =\;$   const.$\displaystyle \; =:\;-\alpha_{\varphi}^2.$ (12141)

Die linke Seite dieser Gleichung hängt nur von $ r$ und von $ \vartheta $ ab, die rechte nur von $ \varphi$. Die beiden Seiten können nur identisch sein, wenn jede gleich einer (noch unbestimmten) Konstanten ist, die $ -\alpha_{\varphi}^2$ genannt wird. Die Differentialgleichung für $ W_3$ kann sofort gelöst werden

$\displaystyle \frac{dW_3}{d\varphi}=\alpha_{\varphi},\qquad W_3(\varphi)=\int \alpha_{\varphi}d\varphi = \alpha_{\varphi}\varphi.$ (12142)

Die linke Seite von Gl. (12.142) wird wieder in zwei Teile gespalten

$\displaystyle \left\{2m\left[V(r)-E\right] + \left(\frac{dW_1}{dr} \right)^2\ri...
...}{d\vartheta}\right)^2 + \frac{\alpha_{\varphi}^2}{\sin^2\vartheta}\right]\;=\;$const.$\displaystyle \;=\;-\alpha_{\vartheta},$ (12143)

die linke (rechte) Seite hängt nur von $ r$ $ (\vartheta)$ ab; jede muß für sich gleich einer Konstanten sein

$\displaystyle \frac{dW_2}{d\vartheta}$ $\displaystyle =\sqrt{\alpha_{\vartheta}^2 + \frac{\alpha_{\varphi}}{\sin^2\thet...
...d\vartheta \sqrt{\alpha_{\vartheta}^2 + \frac{\alpha_{\varphi}}{\sin^2\theta}},$ (12144)
$\displaystyle \frac{dW_1}{dr}$ $\displaystyle =\sqrt{2m\left[E-V(r)\right]-\frac{\alpha_{\vartheta}}{r^2}},\quad W_1(r) = \int dr \sqrt{2m\left[E-V(r)\right]-\frac{\alpha_{\vartheta}}{r^2}}.$ (12145)

Die Separation ist damit vollständig durchgeführt. Das obige Integral (12.145) könnte elementar als unbestimmtes Integral ausgeführt werden; ebenso (12.145) für das Coulomb- ($ V(r)=C/r$) oder Oszillatorpotential ( $ V(r)=m \omega^2r^2/2$). Dies ist langwierig. Darum beschränken wir uns hier auf die Phasenintegrale, die als bestimmte Integrale mit komplexen Methoden berechnet werden können. Hier geben wir nur die Resultate an.
\begin{subequations}\begin{align}J_{\varphi}&=\oint p_{\varphi}d\varphi=\oint\fr...
...\left(J_{\vartheta}+J_{\varphi}\right)^2}{r^2}}dr. \end{align}\end{subequations}

Sobald das letzte Integral ausgeführt worden ist, kann der resultierende Ausdruck nach der Gesamtenergie $ E$ aufgelöst werden. Damit erhalten wir diese und damit die Hamiltonfunktion als Funktion der Wirkungsvariablen:

$\displaystyle E=H(p_k,q_k)=K(J_r,J_{\vartheta},J_{\varphi})=K(J_r,J_{\vartheta}+J_{\varphi}).$

Für die Frequenzen des Systems folgt gemäß Formel (12.137)

$\displaystyle \nu_r=\frac{\partial K}{\partial J_r},\qquad \nu_{\vartheta}=\fra...
...\partial J_{\vartheta}}= \frac{\partial K}{\partial J_{\varphi}}=\nu_{\varphi}.$

Die Gleichheit $ \partial K/\partial J_{\vartheta}= \partial K/\partial
J_{\varphi}$ ergibt sich, weil der Integrand von (12.147c) nur von der Summe $ J_{\vartheta}+J_{\varphi}$ abhängt. Das System hat daher höchstens zwei verschiedene Eigenfrequenzen $ \nu_r$ und $ \nu_{\vartheta} = \nu_{\varphi}$, es ist entartet. Diese Entartung hängt zusammen mit der Ebenheit der Bahn im Zentralfeld.

Die Auswertung von (12.147c) für ein Coulombpotential ergibt:

$\displaystyle V(r) = \frac{C}{r}:\qquad J_r =\frac{ -2\pi mC}{\sqrt{-2mE}} - (J_{\vartheta}+J_{\varphi}),\qquad C < 0.$    

Auflösen nach $ E$ gibt:

$\displaystyle E = H(p_k,q_k)=K(J_r,J_{\vartheta},J_{\varphi})= -\frac{2m\pi^2C^2}{\left(J_r+J_{\vartheta}+J_{\varphi}\right)^2}.$ (12147)

Für das Coulomb- oder Newtonpotential hängt die neue Hamiltonfunktion $ K$ nur von der Summe $ J_r+J_{\vartheta}+J_{\varphi}$ ab, daher ist $ \nu_r=\nu_{\vartheta}=\nu_{\varphi}$. Es gibt nur eine einzige Eigenfrequenz des Systems (zweifache Entartung).
Obige Resultate werden benützt für die Quantisierung mittels der BOHR-SOMMERFELDSCHEN Phasenintegralmethode:

$\displaystyle J_r=n_rh,\qquad J_{\vartheta}=n_{\vartheta}h,\qquad J_{\varphi}=n_{\varphi}h.$

Die Quantenzahlen $ n_r$, $ n_{\vartheta}$, $ n_{\varphi}$ werden zusammengefaßt zur Hauptquantenzahl

$\displaystyle n=:n_r+n_{\vartheta}+n_{\varphi}.$

Damit ergibt sich für die Energieeigenwerte des Einelektronenproblems:

$\displaystyle E_n=-\frac{2m\pi^2C^2}{n^2h^2},\qquad n=1,2,3,...$

Es ist eine bekannte Schwierigkeit der BOHR-SOMMERFELDSCHEN Theorie, daß nicht aus ersten Prinzipien angegeben werden kann, welche Wertemengen für die Quantenzahlen $ n_r$, $ n_{\vartheta}$, $ n_{\varphi}$ zugelassen werden, sondern daß dies aus den experimentellen Daten erschlossen werden muß. Diese Schwierigkeit fällt in der Quantenmechanik fort.

Wer nähere Details zur Berechnung der Phasenintegrale (12.147) erfahren möchte, kann sich direkt an den Vortragenden (B. S.) wenden.

Christian Sommer 2003-01-27