Unterabschnitte

Schwingungen. Oszillatoren

Wenn in einem System ein Teil aus der Ruhelage, z.B. durch einen Stoß, etwas herausgeschoben wird, dann treten meist Kräfte auf, die diesen in die Ruhelage (E. equilibrium position) zurücktreiben. Auf grund der Trägheit der Masse dieses Teiles bleibt dieser aber nicht in der Ruhelage stehen, sodern schießt darüber hinaus. Dabei wachsen die rücktreibenden Kräfte wieder so an, daß diese Masse wieder umkehrt. Somit kommt es zu Schwingungen um die Ruhelage. Wenn auch Reibung vorhanden ist, wird dieser Schwingungsvorgang früher oder später zur Ruhe kommen (gedämpfte Schwingung, E. damped oscillation). Im Idealfall, daß keine Reibung vorhanden ist, kommt es zu einer ungedämpften Schwingung.

Oft ist die genaue analytische Form der rücktreibenden Kraft nicht bekannt. Dann behilft man sich mit Reihenentwicklungen (Taylorreihen) um die Ruhelage, berücksichtigt aber meist nur einen Teil der Glieder, nämlich nur die niedrigsten Potenzen. Begnügt man sich mit den linearen Termen, spricht man von einem harmonischen Oszillator (E. harmonic oscillator); werden auch noch höhere Potenzen mitgenommen, spricht man von einem anharmonischen Oszillator (E. anharmonic oscillator). Dies sind die einfachsten und wichtigsten Modelle für Schwingungen. Selbst wenn die Kraft genau bekannt ist, ist es oft zweckmäßig mit den gerade beschriebenen Näherungen zu arbeiten.

Wirkt keine äußere Kraft, heißt der Oszillator frei (E.: free oscillator). Wirkt noch eine zusätzliche äußere (meist zeitabhängige) Kraft, dann kommt es zu erzwungenen Schwingungen und dabei kann Resonanz auftreten. In diesem Fall ist es besonders wichtig, die Reibung zu berücksichtigen.

Eindimensionale Bewegung

Die gerade zuvor besprochene Reihenentwicklung der rücktreibenden Kraft wird hier am eindimensionalen Fall erklärt. Die Kraft sei eine Funktion der Koordinate $ x$, also $ F = f(x)$. $ f$ wird nun in eine Taylorreihe um $ x_{0}$ entwickelt:

$\displaystyle f = f(x_{0}) + (x-x_{0}) f'(x_{0}) + \frac{1}{2!}(x-x_{0})^{2} f'...
...{0})^{3} f'''(x_{0}) + \frac{1}{4!}(x-x_{0})^{4} f^{(4)}(x_{0}) + \ldots    .$ (41)

Weil $ x_{0}$ die Koordinate der Gleichgewichtslage ist, sind dort die auf die Masse $ m$ wirkenden Kräfte im Gleichgewicht, die resultierende Kraft ist Null, $ \Rightarrow$ $ f(x_{0}) = 0$. $ x_{0}$ sei eine stabile Gleichgewichtslage: Die Kräfte, die bei einer Entfernung der Masse aus der Gleichgewichtslage wirksam werden, wollen die Masse in die Gleichgewichtslage zurücktreiben. Dazu muß gelten:

$\displaystyle D  =  - f'(x_{0})  >  0    .$ (42)

Lineare Kraft. Harmonischer Oszillator

Wenn vorläufig die höheren Terme in der Entwicklung (4.1) vernachläßigt werden, dann lautet die Kraft:


$\displaystyle F  =  - (x - x_0)  D .
$

$ D$ heißt die Direktionskraft. Die Skala auf der $ x$-Achse wird nun so gewählt, daß der Gleichgewichtspunkt der Nullpunkt ist, also $ x_{0} = 0.$ Damit haben wir folgenden Ausdruck für die Kraft und die Bewegungsgleichung:


$\displaystyle m \ddot{x}  :=  F  =  -  x  D .$

Division durch $ m$ und Einführung der Abkürzung $ \omega^2$ machen aus der obigen Bewegungsgleichung die Differentialgleichung:


$\displaystyle \ddot{x}  +  \omega^{2}  x = 0 ,$   mit$\displaystyle \quad \omega^{2} := D/m > 0   .$ (43)

Dies ist eine Schwingungsgleichung. In diese wird folgender Ansatz für die Lösungsfunktion $ x$ eingesetzt:



$\displaystyle x = C e^{\lambda t}, \qquad \ddot{x} = C \lambda^{2} e^{\lambda t};$      
$\displaystyle \ddot{x} + \omega^{2} x = (\lambda^{2} + \omega^{2})   C   e^{\lambda t} = 0.$      

Diese Identität soll für alle Zeiten (eines gewissen Zeitintervalls) gelten; $ e^{\lambda t} \not = 0.   C = 0$ ergäbe nur die triviale Lösung ( $ x \equiv
0$), diese ist uninteressant. Es muß daher gelten:
$\displaystyle \lambda^{2} = - \omega^{2},    \lambda = \pm i\omega, \quad (i = \sqrt{-1});$      
$\displaystyle x_{1}(t) = C_{1}   e^{i\omega t}, \quad x_{2}(t) = C_{2}   e^{- i\omega t}.$     (44)

In der Vorlesung über Differentialgleichungen wird gezeigt, daß diese beiden Funktionen ein Fundamentalsystem bilden und daher die allgemeine Lösung eine Linearkombination von $ x_{1}(t)  $   und$   x_{2}(t)$ ist:

$\displaystyle x(t) = C_{1}   e^{i\omega t}   +   C_{2} e^{-i\omega t} .$ (45)

$ C_{1}  $   und$   C_{2}$ sind willkürliche Konstanten $ \in { {\mathbb{C}} }$. Für unser Problem sind nur reelle Lösungen von Bedeutung, wir formen daher um mittels der Eulerschen Identität:
$\displaystyle e^{\pm i\omega t}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \cos(\omega t) \pm i \sin(\omega t);$  
$\displaystyle x$ $\displaystyle =$ $\displaystyle C_{1}   e^{i\omega t} + C_{2}   e^{-i\omega t}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle C_{1} \cos(\omega t) + iC_{1} \sin(\omega t) + C_{2} \cos(\omega t) -
iC_{2} \sin(\omega t)$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle (C_{1} + C_{2}) \cos(\omega t) + i(C_{1} - C_{2}) \sin(\omega t).$  
$\displaystyle D_{1}$ $\displaystyle :=$ $\displaystyle C_{1} + C_{2}, \qquad D_{2}   := i(C_{1} - C_{2});$  

$\displaystyle x(t) = D_{1} \cos(\omega t) + D_{2} \sin(\omega t)  , \quad \omega   := \sqrt{D/m}.$ (46)

Die allgemeine Lösung kann noch in anderer Form geschrieben werden, nämlich als:

$\displaystyle x(t) = A \cos(\omega t + \varphi)   .$ (47)

Der Übergang zwischen beiden Schreibweisen erfolgt auf folgende Weise:

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccc}
x(t) = A \cos(\omega t + \varphi) & = &...
...}, \qquad \tan \varphi  & = &  - D_{2}/ D_{1}  .
\end{array}\end{displaymath}

Die Konstanten $ C_{1}, C_{2}$ bzw. $ D_{1}, D_{2}$ bzw. $ A, \varphi $ sind aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen.

Eine spezielle Anfangsbedingung: $ m$ ist aus der Ruhelage herausgezogen worden, wird nun ausgelassen (Abb. 4.1).


$\displaystyle x(t=0)  =  A, \qquad \dot{x}(t=0)  =  0;$ (48)

Diese Anfangsbedingung wird in die allg. Lösung eingesetzt:

$\displaystyle \begin{array}{ccccccc}
x(t=0) & = & D_{1} & \stackrel{!}{=} & x_{...
...& = & \omega D_{2} & \stackrel{!}{=} & 0 & \rightarrow &
D_{2} = 0.
\end{array}$

Die spezielle Lösung zur obigen Anfangsbedingung ist:
Abbildung: Lösung der Schwingungsgleichung bei Elongation aus der Ruhelage. Links die Lage und der Impuls als Funktion der Zeit. Rechts oben das Potential, unten das Phasenraumdiagramm. Die Punkte schließen den Weg innerhalb gleicher Zeitintervalle ein.
\includegraphics[scale=0.93]{k4_schwingungsglg}

$\displaystyle x  =  A \cos(\omega t).$ (49)

Die Schwingung kann wie in Abb. 4.1 dargestellt werden. Die Kurven links geben die Lage $ x$ und den Impuls $ p$ des Massenpunkts als Funktion der Zeit $ t$. $ \omega = 2 \pi \nu $ heißt die Kreisfrequenz, $ \nu$ ist die Frequenz, $ T = 1/\nu$ die Schwingungsdauer. Alle diese Größen sind durch die Direktionskraft $ D$ und die Masse $ m$ festgelegt.

$\displaystyle \nu = \frac{1}{T} = \frac{\omega}{2 \pi} = \frac{1}{2 \pi} \sqrt{\frac{D}{m}}.$ (410)

Zu anderen Anfangsbedingungen ergeben sich auch andere spezielle Lösungen. Z.B. ergibt sich für die Anfangsbedingung: $ t = 0:  x = 0, \dot{x} = 0 $ die spezielle Lösung $ x \equiv
0$. Wenn der Massenpunkt anfänglich im Gleichgewichtgspunkt in Ruhe ist, bleibt er es in alle Ewigkeit. - Wird die Masse aus der Ruhelage gestoßen, gibt dies die Anfangsbedingungen: $ t = 0: \
x = 0, \dot{x} = v_0 . $ Dies führt zur speziellen Lösung:


$\displaystyle x(t)  =  \frac{v_{0}}{\omega} \sin(\omega t)  .$ (411)

Wird die Anfangsbedingung ganz allgemein gehalten, nämlich: Am Anfangszeitpunkt $ t=0$ ist die Masse am Punkt $ x = x_0$ und hat dort die Geschwindigkeit $ \dot{x} = v_0$, dann ist die spezielle Lösung:

$\displaystyle x(t) = x_{0}\cos (\omega t)  +  \frac{v_{0}}{\omega} \sin(\omega t)  .$ (412)

Berechnung der Gesamtenergie


$\displaystyle \ddot{x} + \omega^{2}x$ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0   \big\vert \cdot (m \dot{x})$  
$\displaystyle m \ddot{x} \dot{x} + m \omega^{2} x \dot{x}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle 0 \quad \Rightarrow \quad
\frac{d}{dt} \left[ \frac{m}{2} \dot{x}^{2} + m \frac{\omega^{2}}{2} x^{2}
\right] = 0;$  

$\displaystyle E  =  \frac{m}{2}  \dot{x}^{2}  +   \frac{m\omega^{2}}{2}  x^{2} =  T  +  U  =  $   const. (413)

Die Konstanz der Gesamtenergie $ E$ ergibt sich auch wenn man eine der Lösungen (4.9), (4.11) oder (4.12) in den Energieausdruck einsetzt. Z.B. liefert (4.9) in den obigen Energieausdruck eingesetzt:

$\displaystyle E  =  \frac{m}{2} A^{2} \omega^{2} \sin^{2}(\omega t) + \frac{m}{2} A^{2} \omega^{2} \cos^{2}(\omega t)  =  \frac{m\omega^{2}}{2} A^{2}  =  $   const. (414)

Man sieht auch hier, daß $ E$ nicht von $ t$ abhängt. Die Gesamtenergie ist proportional zum Quadrat der Amplitude $ A$ und auch zum Quadrat der Kreisfrequend $ \omega $. Das Potential errät man leicht aus dem Ausdruck für die Gesamtenergie:
$\displaystyle U$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{m}{2}  \omega^{2}  x^{2}   ,$ (415)
$\displaystyle F$ $\displaystyle =$ $\displaystyle -  \frac{\partial U}{\partial x}  =  -  m\omega^{2}  x  = \
- m  \frac{D}{m} x  =  -  D  x   .$  

Das Phasenraumdiagramm

In Abb. 4.1 ist rechts oben die potentielle Energie $ U(x)$ eingezeichnet. Für eine gegebene Energie $ E_i$ oszilliert der Massenpunkt zwischen den Punkten $ -x_i$ und $ x_i = \sqrt{2 E_i/m\omega^2} $. Dies ergibt sich aus dem Energiesatz. Löst man Gl. (4.13) nach der Geschwindigkeit $ \dot{x}$ auf, so ergibt sich:

$\displaystyle \dot{x}  =  \pm \sqrt{2E/m - \omega^2 x^2}
$

Die Geschwindigkeit muß reell sein; daher darf der Radikand nicht negativ sein. Diese Bedingung ist zwischen $ -x_i$ und $ x_i$ erfüllt; an den beiden Endpunkten ist der Radikand Null, also die Geschwindigkeit Null; dies sind die Umkehrpunkte. Im Phasenraumdiagramm, rechts unten in Abb. 4.1, entspricht dieser Schwingung eine Ellipse mit den Halbachsen $ x_i$ und $ p_i = \sqrt{2m E_i}$. Aus Gl. (4.13) erhält man die Gleichung einer Ellipse, wenn man mit der Energie $ E$ durchdividiert. Gln. (4.9), (4.11) oder (4.12) sind die Parameterdarstellung einer Ellipse. Der dicke Punkt im Zentrum des Phasendiagramms (und die tiefste Stelle des Potentials) entsprechen dem in der Gleichgewichtslage ruhenden Punkt. Während die Masse im realen Raum eine Periode absolviert, durchläuft der Phasenpunkt seine Phasenbahn (hier die seiner Energie $ E_i$ entsprechende Ellipse) im Uhrzeigersinn. Es gibt nur eine Art von Bewegung, eine Schwingung mit größerer oder kleinerer Amplitude, je nach den Anfangsbedingungen.


Anharmonische Schwingung

Die Bewegungstypen werden zahlreicher, wenn man in der Entwicklung der Kraftfunktion, Gl. (4.1), den ersten nichtlinearen Term ( mit $ x_0 = 0$ und $ f''(x_0)/2 := m \alpha$) hinzunimmt:

$\displaystyle F  =  -  \frac{\partial U}{\partial x}  , \qquad U  =  m \omega^2  \frac{x^2}{2}  -  m \alpha  \frac{x^3}{3}.$ (416)

Abbildung 4.2: Anharmonische Schwingung. Oben Potential U(x), Gl. (4.16), und verschiedene Energiewerte. Unten das Phasenraumdiagramm.
\includegraphics[scale=0.67]{k4_anharmschwing}
Die zugehörige Bewegungsgleichung kann exakt analytisch mit Hilfe elliptischer Funktionen und Integrale gelöst werden. Wichtige qualitative und quantitative Aussagen können bereits aus dem Energiesatz und dem Phasenraumdiagramm gefunden werden. Das Potential ist in Abb. 4.2 oben eingezeichnet. Sind die Schwingungsamplitude, damit auch die Gesamtenergie

$\displaystyle E  =  T  +  U  =  \frac{m}{2}  v^2  +  m \omega^2  \frac{x^2}{2}  -  m \alpha  \frac{x^3}{3}.$ (417)

klein genug, dann schwingt der Massenpunkt zwischen $ x_1 < 0$ und $ x_2 > 0$. Diese beiden Werte ergeben sich wieder aus den Schnittpunkten der horizontalen Geraden $ E_1$ ( $ E_0 \leq E_1 \leq E_{gr})$ mit der Potentialfunktion U(x). Wegen der unsymmetrischen Form des Potentials liegen sie nicht symmetrisch zum Ursprung. Die Phasekurve ( $ - \cdot - \cdot - $) ist geschlossen, es liegt eine anharmonische Schwingung vor. Das nennt man auch einen gebundenen Zustand.

Löst man obige Gleichung nach der Geschwindigkeit $ v$ auf, findet man eine Differentialgleichung, die durch Separation gelöst werden kann:

$\displaystyle v  =  \frac{dx}{dt}  =  \pm \sqrt{2E/m - U(x)},
\qquad
\frac{...
...t{2E/m - U(x)}}  =  dt , \qquad
t  =  \int \frac{dx}{\sqrt{2E/m - U(x)}} .
$

Für die Zeit einer halben Periode ergibt sich daraus:

$\displaystyle \frac{T}{2}  =  \int_{x_1}^{x_2} \frac{dx}{\sqrt{2E/m - U(x)}}.
$

An den Umkehrpunkten ist $ v = \dot{x} = 0$, also die obige Wurzel Null. Der Integrand ist also dort singulär. Doch ist es eine schwache Singularität (so wie die von $ 1/\sqrt{x - x_0}$ an der Stelle $ x_0$), der Integrand ist also integrabel; das obige bestimmte Integral ist endlich.

Für $ E > E_{gr}$ (wie z.B. für $ E = E_2$) kann die Masse nach rechts bis ins Unendliche laufen ( $ - \cdot\cdot - \cdot\cdot - $) . Ungebunder oder freier Zustand. Im Bereich $ 0 < x_3 \leq x < \infty$ ist der Radikand ebenfalls positiv. Das Teilchen, damit auch sein Phasenpunkt, können ins Unendliche gelangen ($ - - - $). Wenn der Massenpunkt einwärts läuft, dann wird er an der Stelle $ x = x_3$ reflektiert und gelangt dann ins Uendliche. Doch ist dieser Bereich vom physikalischen Standpunkt aus nicht sehr realistisch.

Je näher die Energie $ E$ an der Grenzenergie $ E_{gr}$ liegt, desto größer wird der Wert der Periode. Denn bei $ E = E_{gr}$ fallen die Nullstellen $ x_2$ und $ x_3$ zusammen, $ x_2 = x_3 = x_{gr}$; unter der Wurzel steht ein quadratischer Ausdruck $ (x - x_{gr})^2$; der Integrand in dem obigen Ausdruck für die Periode hat einen Pol 1. Ordnung; das Integral nimmt den Wert Unendlich an. Das Teilchen kann sich nur von links oder rechts dem sog. Sattelpunkt nähern, es benötigt unendlich lange Zeit bis es diesen erreicht ( --- ). Im Phasendiagramm entspricht dieser Bewegung die ausgezogene Kurve; der Phasenpunkt kann aber immer nur einen Teil eines Astes dieser Kurve durchlaufen. Diese Bewegung heißt Limitationsbewegung. Diese Kurve trennt zwei Gebiete des Phasenraumes, in denen verschiedenartige Bewegungen ablaufen. Deswegen heißt sie auch Separatrix (E. separatrix).


Harmonischer Oszillator mit Dämpfung

Die Verluste, die z.B. durch Reibung (E.: friction) in der Feder oder in der Luft verursacht werden, können oft durch eine geschwindigkeitsabhängige Reibungskraft

$\displaystyle F_{r} = - r\dot{x} := - m2\gamma \dot{x}$ (418)

($ r$ und $ \gamma$ konstant) beschrieben werden. Statt (4.3) erhält man dann die Schwingungsgleichung

$\displaystyle m \ddot{x}\; +\; 2m \gamma \dot{x} \;+\; m \omega_{0}^{2}x\; =\; 0   .$ (419)

Mittels Exponentialansatz erhält man die charakteristische Gleichung

$\displaystyle x = e^{\lambda t} :\quad \lambda^{2} + 2 \gamma \lambda + \omega_{0}^{2} = 0$ (420)

mit den Wurzeln

$\displaystyle \lambda_{1,2} = - \gamma \pm \sqrt{\gamma^{2}-\omega_{0}^{2}}$ (421)

Wir müssen drei Fälle unterscheiden, je nachdem, ob die Quadratwurzel imaginär, Null oder reell ist.

Gedämpfte Schwingung

$ \lambda_{1}$ und $ \lambda_{2}$ sind zueinander konjugiert komplex. Die allgemeine Lösung

$\displaystyle \omega^2>\gamma^2:\quad x $ $\displaystyle =   e^{-\gamma t} \left(A e^{i \sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}}t} + B e^{-i\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}}t}\right)$    
  $\displaystyle =   e^{-\gamma t} \left[ C \cos\left(\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma...
...t\right) + D \sin\left(\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}}  t\right) \right]   .$ (422)

beschreibt für $ t \geq 0$ eine gedämpfte Schwingung (E.: damped oscillation). Für $ t \to \infty$ kommt der Oszillator wegen der Reibungsverluste zur Ruhe. Als Beispiel ist der Fall mit $ D = 0$ in Abb. 4.3 gezeigt.

Abbildung: Gedämpfte Schwingung: Links die Lagekoordinate über der Zeit. Rechts das Phasendiagramm. Die Punkte trennen gleiche Zeitintervalle $  T_0/4$.
\includegraphics[scale=0.83]{k4_gedaempfteschw}
Man beachte, daß die Frequenz des gedämpften Oszillators $ (\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}})$ gegenüber der des ungedämpften Oszillators $ (\omega_{0} = 2\pi/T_{0})$ herabgesetzt ist. Die Phasenkurve zieht sich allmählich auf den Ursprung zusammen, wobei die Schwingung immer langsamer wird.

Aperiodische Bewegung

$\displaystyle \gamma^{2} > \omega_{0}^{2}   , \quad
\lambda_{1,2} = - \gamma ...
...sqrt{\gamma^{2}-\omega_{0}^{2}}   , \quad
\lambda_{2} < \lambda_{1} < 0   ;
$

$\displaystyle x = A_{1} e^{\lambda_{1}t} + A_{2} e^{\lambda_{2}t}$ (423)

Die Reibung ist so stark, daß überhaupt keine Schwingung möglich ist, sondern der Oszillator in seine Ruhelage zurückkehrt. Dies verläuft entweder überhaupt monoton oder der Massenpunkt durchquert einmal die Ruhelage (Abb. 4.4).
Abbildung 4.4: Aperiodische Bewegung, Kriechfall.
\includegraphics[scale=0.88]{k4_aperiodbew}

Grenzfall

$\displaystyle \gamma^{2} = \omega_{0}^{2} : \lambda_{1} = - \gamma = - \omega_{0}.
$

Da die charakteristische Gl. (4.20) für $ \lambda$ nur eine Lösung hat, muß man noch eine zweite linear unabhängige Lösung finden. Man sieht durch Einsetzen, daß in diesem Fall mit $ e^{(+\lambda_{1}t)} = e^{(- \gamma t)} $ auch $ t   e^{(- \gamma t)}$ eine Lösung von (4.19) ist. Auch diese Lösung strebt für $ t \to \infty$ gegen Null. Die allg. Lösung

$\displaystyle x = A e^{-\gamma t} + B t  e^{-\gamma t}$ (424)

gibt ähnliche Bewegungsformen wie im vorhergehenden Fall.

Harmonischer Oszillator mit zusätzlicher zeitabhängiger Kraft. Erzwungene Schwingung. Resonanz.

Auf den Massenpunkt $ m$ wirkt neben den Federn (oder sonstigen elastischen Kräften, die ihn in die Ruhelage zurückziehen wollen, noch eine zusätzliche zeitabhängige Kraft $ F_{1}(t) =: m f(t)$:

$\displaystyle m \ddot{x} = - k x + F_{1}(t),\quad \ddot{x} + \omega_{0}^{2}x = f(t),\quad \omega_{0} =: \sqrt{\frac{k}{m}}  .$ (425)

$ f(t)$ heißt manchmal das Störglied. Es macht aus der homogenen DGl. (4.3) bzw. (4.19) eine inhomogene Differentialgleichung. Die allgemeine Lösung der letzteren kann man aus der Summe der allg. Lösung der homogenen Gl. (4.3), $ x_{h}$, plus einer partikulären Lösung,$ x_{p}$, der inhomogenen (4.25) aufbauen:

$\displaystyle x = x_{h} + x_{p} .
$

Dies beweist man, indem man zwei partikuläre Lösungen, $ x_{1}(t)  $   und$   x_{2}(t)$, in obige Gleichung einsetzt

$\displaystyle \ddot{x}_{1} + \omega_{0}^{2} x_{1} = f(t) , \qquad \ddot{x}_{2} +
\omega_{0}^{2}x_{2} = f(t) ,
$

und die resultierenden Gleichungen voneinander abzieht:

$\displaystyle (\ddot{x}_{1} - \ddot{x}_{2}) + \omega_{0}^{2}(x_{1} - x_{2}) = 0...
...ad
x_{1} - x_{2} = x_{h} = A_{1} \cos(\omega_{0} t) + A_{2} \sin(\omega_{0} t)
$

ist Lösung der homogenen Schwingungsgleichung (4.3).

Die partikuläre Lösung $ x_{p}$ hängt von der Form der Kraft $ f(t)$ ab. Besonders wichtig sind periodische Anregungen. Wir betrachten den Sonderfall einer harmonischen Störkraft der Kreisfrequenz $ \omega $.

$\displaystyle f(t) =: C \cos(\omega t) = \Re e(C e^{i \omega t})  ,$ (426)

($ C$ reell, gibt die Stärke der anregenden Kraft). Die obige Einführung des Realteiles gestattet eine bequeme Rechnung mit komplexen Größen. Wir finden eine partikuläre Lösung durch den Ansatz

$\displaystyle x_{p} = B  e^{i \omega t}.
$

$\displaystyle \ddot{x} + \omega_{0}^{2} x = f(t) = \Re e\left(C   e^{i \omega t}\right).$ (427)

Einsetzen des obigen Ansatzes in Gl. (4.25) gibt:
$\displaystyle (- \omega^{2} + \omega_{0}^{2}) Be^{i \omega t} = C e^{i \omega t}, \qquad
B = \frac{C}{\omega_{0}^{2} - \omega^{2}};$      
$\displaystyle x_{p} = \Re e \left( \frac{C}{\omega_{0}^{2} - \omega^{2}} e^{i \omega t}
\right) =
\frac{C}{\omega_{0}^{2} - \omega^{2}} \cos(\omega t).$     (428)

Abbildung: Elongation, Impuls und Phasendiagramm eines ungedämpften linearen Oszillators der Eigenfrequenz $ \omega _0 $, der von einer äußeren zeitharmonischen Kraft der Frequenz $ \omega $ angeregt wird. Freqenzverhältnisse $  \omega / \omega _0 = 1.5 $ bzw. $ = \sqrt {2} . $
\includegraphics[scale=0.8]{k4_elong_imp_phasend}

Die allgemeine Lösung ist die Überlagerung zweier Schwingungen mit den Frequenzen $ \omega $ und $ \omega_{0}$.

$\displaystyle x = A_{1} \cos(\omega_{0} t) + A_{2} \sin(\omega_{0} t) + \frac{C}{\omega_{0}^{2} - \omega^{2}} \cos(\omega t) .$ (429)

Die Elongation und der Impuls als Funktion der Zeit haben eine übersichtliche Form. Das Phasenraumdiagramm wird sehr undurchsichtig, wenn das Frequenzverhältnis $ \omega/\omega_0$ nicht ein einfaches Zahlenverhältnis darstellt (vgl. Abb. 4.5).

Die Lösung wird unendlich für $ \omega = \omega_{0}$ (Resonanz, E.: resonance). In diesem Fall ist die Reibung so wesentlich, daß sie nicht vernachlässigt werden darf. Wir betrachten daher die Gleichung

$\displaystyle \ddot{x} + 2 \gamma \dot{x} + \omega_{0}^{2} x = \Re e(C e^{i \omega t})   .$ (430)

Wir betrachten wiederum den Schwingfall (s. $ S$ 4.1.3), $ (\gamma^{2} < \omega_{0}^{2})$. Wieder erhalten wir eine partikuläre Lösung der obigen inhomogenen Gleichung durch den Ansatz $ x_{p} = \Re e(D  e^{i \omega t})$:

$\displaystyle D(- \omega^{2} + 2 i \omega \gamma + \omega_{0}^{2}) e^{i \omega t} =
C e^{i \omega t},$      
$\displaystyle D = \frac{C}{\omega_{0}^{2}- \omega^{2} + 2i \gamma \omega} =
C \...
...amma \omega}
{(\omega_{0}^{2} - \omega^{2})^{2} + 4 \gamma^{2} \omega^{2}}   .$      

Die allgemeine Lösung besteht aus $ Re(D e^{i \omega t})$, der partikulären Lösung von (4.30), und aus der allg. Lösung (4.22) der homogenen Gleichung (4.19):

$\displaystyle x$ $\displaystyle =$ $\displaystyle e^{- \gamma t} \left[ A \cos\left(\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}}  t\right) +
B \sin\left(\sqrt{\omega_{0}^{2}-\gamma^{2}}  t\right) \right] +$  
    $\displaystyle + \frac{C}{(\omega_{0}^{2}-\omega^{2})^{2} + 4 \omega^{2} \gamma^...
...{2} - \omega^{2}) \cos(\omega t) + 2 \omega \gamma \sin
(\omega t) \right]   .$ (431)

Man sieht, daß die Lösung der homogenen Gleichung mit zunehmender Zeit abklingt, sodaß das stationäre (langzeitliche) Verhalten von dem der partikulären Lösung bestimmt ist. Dies sind man auch aus dem Phasendiagramm, Abb. 4.6. Die stationäre Lösung $ x_p(t)$ wird daher genauer untersucht. Diese partikuläre Lösung (2. Zeile von Gl. (4.31)) läßt sich schreiben als

$\displaystyle x_{p}(t) =: C  V(\omega) \cos(\omega t- \varphi)$ (432)

mit

$\displaystyle V(\omega) = \frac{\omega_{0}^{-2}}{\sqrt{\left[1-\left(\frac{\ome...
...omega}{\omega_{0}}\right)^{2}\left(\frac{2\gamma}{\omega_{0}}\right)^{2}}}   ,$ (433)

$\displaystyle \varphi = \arctan \frac{\omega_{0}^{2} - \omega^{2}}{2 \omega \ga...
...mega_{0}^2}}{\frac{\omega}{\omega_{0}} \frac{2 \gamma}{\omega_{0}}}\right]   .$ (434)

Dies ist ebenfalls eine harmonische Schwingung der Kreisfrequenz $ \omega $ mit der Amplitude $ V(\omega)$ und der Phasenverschiebung $ \varphi$ gegenüber der anregenden Schwingung. Man sieht, daß vor allem zwei dimensionslose Parameter in diese beiden Ausdrücke eingehen: $ \omega/\omega_{0}$, das Verhältnis der anregenden Frequenz zur Eigenfrequenz $ \omega_{0}$ des ungestörten Systems und der Dämpfungsparameter $ \delta:= 2 \gamma/ \omega_{0}$. In Abb. 4.7(a) ist $ \omega_{0}^{2}V(\omega)$ als Funktion dieser beiden Parameter aufgezeichnet. Man sieht, daß bei schwacher Dämpfung (kleine $ \delta$) die Resonanz sehr stark ausgeprägt ist. $ V(\omega)$ heißt deswegen auch der Verzerrungsfaktor. Für zunehmende Dämpfung wird das Maximum der Amplitude zu immer kleineren Frequenzen verschoben (genauso wie die Frequenz der freien Schwingung, Gl. (4.22)). Bei sehr starker Dämpfung, z.B. $ \delta = 4$, gibt es kein Maximum mehr, die Amplitude der erzwungenen Schwingung ist in weiten Bereichen unabhängig von der anregenden Frequenz, aber sehr klein. Abb. 4.7(b) zeigt, daß für kleine $ \omega/\omega_{0}$ die stationäre Schwingung in Phase mit der Erregung ist; bei $ \omega/\omega_{0}=1$ ist sie um 90^&cir#circ; verschoben, für noch höhere $ \omega/\omega_{0}$ strebt die Phasendifferenz gegen 180^&cir#circ;.
Abbildung: Amplitude und Phasendiagramm eines gedämpften linearen Oszillators, der von einer äußeren zeitharmonischen Kraft angeregt wird. Links gibt die strichlierte Kurve die gedämpften Eigenschwingung an. Rechts gibt die ausgezogene Kurve die erzwungene Schwingung, die strichlierte den Einschwingvorgang.
\includegraphics[scale=0.8]{k4_phasend_ged_schw}



Abbildung 4.7: (a) Resonanzkurven: Amplitude = Verzerrungsfaktor. (b) Resonanzkurven: Phase.
[] \includegraphics[scale=0.75]{k4_resonanzkurve_ampl} [] \includegraphics[scale=0.75]{k4_resonanzkurve_phase}

Zwei Freiheitsgrade. Bewegung in zwei Raumrichtungen

Die Bewegung in einem Freiheitsgrad ist noch verhaltnismäßig übersichtlich. Wenn die Kraft nur vom Ort abhängt, dann existiert sicher ein Potential, die Energie ist erhalten, das System ist integrabel. Die Bewegung ist vorhersagbar. Zwei Freiheitsgrade bieten wesentlich mehr Bewegungmöglichkeiten. Sind die Bewegunggleichungen nichtlinear und gekoppelt, dann treten neue Phänomene auf, insbesondere chaotische Bewegung. Zuerst wird aber der lineare Fall behandelt, der isotrope und der anisotrope harmonische Oszillator. Diese Systeme sind integrabel. Als ein Beispiel eines nichtlinearen, nicht integrablen Systems wird das von Hénon-Heiles entwicklte Modell betrachtet.

Linearer Oszillator

Beim zweidimensionalen Oszillator muß man zwei Fälle unterscheiden, nämlich ob die Kraft in allen Richtungen dieselbe ist (isotroper Oszillator, Abb. 4.8(a)) oder in verschiedenen Richtungen verschieden (anisotroper Oszillator, 4.8(b)) ist.
Abbildung 4.8: (a) Der isotrope harmonische Oszillator.      (b) Der anisotrope Oszillator
[] \includegraphics[scale=0.7]{k4_iso_harm_oszi} [] \includegraphics[scale=0.7]{k4_aniso_harm_oszi}

Isotroper Oszillator

Beim isotropen Oszillator ist die Direktionskraft für alle Elongationen gleicher Größe gleich groß und immer zum Gleichgewichtspunkt gerichtet. Dieser Punkt wird als Koordinatenursprung genommen. Die Kraft ist dann proportional zum Radiusvektor $ \vec r = (x,y):$

$\displaystyle \vec F  =  - D  \vec r$ (435)

Die Bewegungsgleichungen lauten:
$\displaystyle m \ddot{\vec r}  =  \vec {F}  =  - D  \vec{r} :
\qquad { m \ddot{x}  =  - D  x   ,
\quad m \ddot{y}  =  - D  y   . }$     (436)

mit der allgemeinen Lösung:

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccc}
\ddot{x} + \omega^{2}x & = & 0 : \quad ...
...ce{.9cm}\omega & = & \sqrt{D/m}   . \hspace{2.6cm}
\end{array}\end{displaymath}

$\displaystyle \vec r(t)  =  \left( \begin{array}{c} x(t)  [2mm] y(t) \end{a...
... \varphi_{1})  [2mm] A_{2} \cos(\omega t + \varphi_{2}) \end{array} \right) .$ (437)

Der Zusammenhang zwischen den beiden Darstellungen der allgemeinen Lösung ist bereits bei Gln. (4.6) und (4.7) gegeben worden. Eine spezielle Anfangsbedingung ist: $ m$ ist um die Strecke $ r_{0}$ aus der Ruhelage gezogen worden (Abb. 4.9(a)) :
Abbildung: Zwei Beispiele von Anfangsbedingungen für einen zweidimensionalen harmonischen Oszillator und zugehörige Bahnen: (a) Radiale Elongation,     (b) Elongation und Stoß senkrecht dazu.
[] \includegraphics[scale=0.7]{k4_radial_elong_harm} [] \includegraphics[scale=0.7]{k4_stosz_elong_harm}

$\displaystyle t = 0: \quad
\vec {r}(t=0)  =  \left( \begin{array}{c} r_{0} \c...
...{\vec r}(t=0)  =  \left( \begin{array}{c} 0  [2mm] 0 \end{array} \right);
$


$\displaystyle \vec r(t=0)  =  \left( \begin{array}{c} C_1  [2mm] C_3 \end{a...
...)
 \stackrel{!}{=}  \left( \begin{array}{c} 0  [2mm] 0 \end{array} \right);$      

$\displaystyle C_{1} = r_{0} \cos \varphi_{0}   , \quad C_{2} = 0   , \quad
C_{3} = r_{0} \sin \varphi_{0}   , \quad C_{4} = 0  .
$

Die zugehörige spezielle Lösung ist:

$\displaystyle x(t) = r_{0}   \cos \varphi_{0}   \cos(\omega t)   \qquad
y(t) = r_{0}   \sin \varphi_{0}   \cos(\omega t) .
$

Dividiert man eine Lösung durch die andere, so findet man:

$\displaystyle \frac{y(t)}{x(t)} = \frac{\sin \varphi_{0}}{\cos \varphi_{0}} = \tan \varphi_{0}  .
$

Der Massenpunkt oszilliert auf der Geraden $ y = x \tan \varphi_{0}  $!

Eine andere Anfangsbedingung ist: $   m $ ist um die Länge $ x_0$ längs einer Richtung aus der Ruhelage gezogen worden und erhält beim Auslassen einen Stoß in der dazu senkrechten Richtung (Abb. 4.9(b)):

$\displaystyle t = 0: \quad
\vec r(t=0)  =  \left( \begin{array}{c} x_0  [2...
...c r}(t=0)  =  \left( \begin{array}{c} 0  [2mm] v_0 \end{array} \right)  .
$

Die Konstanten bestimmt man wie zuvor und erhält die spezielle Lösung :

$\displaystyle x(t)  =  x_0  \cos(\omega t)  , \qquad y(t)  =  (v_{0}/\omega) \sin(\omega t)  ,
$

$\displaystyle \left( \frac{x}{x_0} \right)^{2} + \left( \frac{y}{v_{0}/\omega}
\right)^{2}  =  1   .
$

Die Bahnkurve ist eine Ellipse! Auch das vorherige Resultat stellt eine Ellipse dar, wenn diese auch zu einer Strecke degeneriert ist. Unten wird gezeigt werden, daß jede Bahnkurve eine Ellipse ist, deren Zentrum mit dem Kraftzentrum zusammenfällt.

Integrale der Bewegung

Mit der allgemeinen Lösung, Gl. (4.37), erhält man:

$\displaystyle E_1  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{m \dot{x}^2}{2}  +  \frac{m \omega^2   x^2}{2}  = \
\frac{m \omega^2 A_1^2}{2}
 =  $   const.$\displaystyle ,$ (438)
$\displaystyle E_2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{m \dot{y}^2 }{2}  +  \frac{m \omega^2   y^2}{2}  = \
\frac{m \omega^2 A_2^2}{2}
 =  $   const.$\displaystyle ,$ (439)
$\displaystyle E   $ $\displaystyle =$ $\displaystyle E_1  +  E_2  =  $   const.  

Die Gesamtenergie $ E_i$ für die Bewegung in jeder Koordinatenrichtung ist erhalten, damit auch die gesamte Energie $ E$ des Oszillators. Der Drehimpuls ist:

$\displaystyle \vec L = m  \vec r \times \dot{\vec r} = L \vec e_{3}  , \quad...
...x \dot{y} - \dot{x} y ) = m \omega A_{1}A_{2} \sin(\varphi_{1} - \varphi_{2}) =$   const. (440)

Wann ist $ \vec L = 0 ? \quad \vec L = 0   \Leftrightarrow   L = 0$.
1) Wenn $ A_{1} = 0$ oder $ A_{2} = 0$, d.h. wenn sich der Massenpunkt auf der y-Achse oder x-Achse bewegt.
2) Wenn $ \sin(\varphi_{1} - \varphi_{2}) = 0,$ d.h. $ (\varphi_{1} - \varphi_{2})
= 0$ oder $ \pi$. $ \vec L = 0$ bedeutet eine Bewegung auf einer Geraden durch das Kraftzentrum.

Ein weiteres Integral der Bewegung ist:

$\displaystyle I_4  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \dot{x} \dot{y}  +  \omega^2  x y  ,$ (441)
$\displaystyle \frac{dI_4}{dt}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \ddot{x} \dot{y}  +  \omega^2  \dot{x} y  + \
\dot{x} \ddot{y}  +  \omega^2  x \dot{y}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  (\ddot{x}  +  \omega^2  x)  \dot{y}  + \
\dot{x}  (\ddot{y}  +  \omega^2  y)   =  0  .$  

Die Zeitableitung von $ I_4$ ist wegen der Bewegungsgleichungen (4.36) Null. Wir haben also 4 Integrale der Bewegung, $ E_1$, $ E_2$, $ L$ und $ I_4$ gefunden. Die Gesamtenergie $ E = E_1 + E_2 $ wird nicht mehr extra gezählt. Da das System nur 2 Freiheitsgrade hat, kann es nur 3 unabhängige zeitfreie Integrale der Bewegung haben. Es muss also eine Beziehung zwischen den gerade angeführten Größen bestehen. Diese ist unten angegeben. Man bestätigt sie durch Ausrechnen, nachdem man die Definitionen aller vier Größen einsetzt hat.
$\displaystyle m^2 I_4^2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  4 E_1 E_2  -  \omega^2  L^2  .$  
$\displaystyle m^2 I_4^2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  m^2 \dot{x}^2 \dot{y}^2  \hspace{4mm} +  m^2 \omega^4 x^2 y^2  + \
2 m^2 \omega^2 x y \dot{x} \dot{y} ,$  
$\displaystyle \omega^2 L^2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  m^2 \omega^2 \dot{x}^2 y^2  + \
m^2 \omega^2 x^2 \dot{y}^2  -  2 m^2 \omega^2 x y \dot{x} \dot{y} ;$  
$\displaystyle m^2 I_4^2  +  \omega^2 L^2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \big( m \dot{x}^2 + m \omega^2 x^2 \big)
\big( m \dot{y}^2 + m \omega^2 y^2 \big)  =  4 E_1 E_2 . \quad \Box$  

Im vierdimensionalen Phasenraum $ x$, $ \dot{x}$, $ y$, $ \dot{y} $ stellt jedes Integral der Bewegung eine Hyperfläche, also einen dreidimensionalen Unterraum dar. Die Phasenkurve muß auf jeder dieser Hyperflächen liegen. Der Durchschnitt zweier derartiger dreidimensionaler Teilräume, z.B. der Hyperflächen, die $ E_1$ und $ E_2$ zugeordnet sind, ist ein zweidimensionaler Unterraum. Das dritte Integral der Bewegung nimmt noch einen Freiheitsgrad weg. Es bleibt ein eindimensionaler Unterraum übrig, das ist die Phasenkurve. Dies kann man hier auch ausrechnen. Dazu werden im Quadrat des Drehimpulses die Quadrate der Geschwindigkeiten mittels der Energiesätze $ E_1$ und $ E_2$ eliminiert. Die resultierende Gleichung wird umgestellt und dann das Integral $ I_4$, Gl. (4.41), eingesetzt:

$\displaystyle \left( \frac{L}{m} \right)^2 = \dot{x}^2  y^2  +  x^2  \dot{y}^2  -
 2 x y \dot{x} \dot{y}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  y^2  \left( \frac{2E_1}{m}  -  \omega^2 x^2 \right)  + \
\...
...  \left( \frac{2E_2}{m}  -  \omega^2 y^2 \right)  -  2 x y \dot{x} \dot{y}$  
$\displaystyle  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{2E_1}{m} y^2  +  \frac{2E_2}{m} x^2  -  2 \omega x^2 y^2  - \
 2 x y \dot{x} \dot{y}  .$  
$\displaystyle \frac{2E_1}{m} y^2  +  \frac{2E_2}{m} x^2  -  \left( \frac{L}{m} \right)^2  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
 2  x y  \left( \dot{x} \dot{y}  +  \omega^2 x y \right)   =   2  x y  I_4 ( E_1,E_2,L)  .$  

Der erste und der letzte Teil der letzten Zeile geben die Bahnkurve, einen Kegelschnitt. Durch Hauptachsentransformation wird gezeigt, dass dieser eine Ellipse darstellt. Hiezu wird diese Gleichung umgeschrieben:
$\displaystyle \frac{2 E_2}{m}  x^2  +  \frac{2 E_1}{m}  y^2  -  2 I_4 x y  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{L^2}{m^2},$  
$\displaystyle \alpha   x^2 \hspace{2mm} + \hspace{5.5mm} \beta   y^2  - \hspace{3.5mm} 2 \gamma x y$ $\displaystyle =$ const.$\displaystyle ;
\quad \alpha, \beta > 0;$  
$\displaystyle (x   y)
\underbrace{ \left( \begin{array}{cc} \alpha & - \gamma...
... \end{array} \right)}_{M}
\left( \begin{array}{c} x  y \end{array} \right)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  $   const.  

Die Eigenwerte der Matrix M geben die Halbachsen des Kegelschnittes. Diese sind beide positiv:

   det$\displaystyle (M  -  \bar{m}  I)  = \
\left\vert \begin{array}{cc} \alpha ...
...m}^2  -  (\alpha + \beta) \bar{m}  -  \gamma^2  +  \alpha \beta  =  0.
$


$\displaystyle \bar{m}_{1,2}  =  \frac{\alpha + \beta}{2}  \pm \
\sqrt{ \left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)^2 + \gamma^2 }
$


$\displaystyle m  \bar{m}_{1,2}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  E_1 + E_2  \pm \sqrt{(E_1 - E_2)^2 + m^2  I_4^2}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  E_1 + E_2  \pm \sqrt{E_1^2 + E_2^2 - 2 E_1 E_2 + 4 E_1 E_2 - \omega^2 L^2}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle  E_1 + E_2  \pm \sqrt{(E_1 + E_2)^2 - \omega^2  L^2}.$  

Die erste Zeile zeigt, dass der Radikand positiv ist. Die letzte Zeile zeigt, dass die Wurzel kleiner ist als die vorhergehende Summe zweier positiver Grössen. Daher sind beide Eigenwerte positiv; daher der Kegelschnitt eine Ellipse. Eine zweite Methode zum Nachweis des gleichen Sachverhalts wird im nächsten Kapitel entwickelt werden.

Der gerade rechnerisch gezeigte Zusammenhang läßt sich auch geometrisch veranschaulichen. Da man den vollen vierdimensionalen Phasenraum nicht anschaulich darstellen kann, muss man in einem dreidimensionalen Unterraum arbeiten. Dieser wird geschaffen, indem die Geschwindigkeit $ \dot{x}$ mittels des Energiesatzes $ E_1$ eliminiert wird. Im verbleibenden Unterraum $ x, y, z = \dot{y}$ liefern das Quadrat des Drehimpulses und der Energiesatz $ E_2$ je eine (zweidimensionale) Fläche; deren Durchschnitt gibt die Bahnkurve (s. Abb. 4.10).

Der eben beschriebene Sachverhalt wird durch weitere Rechung ausgeführt. Im Quadrat des Drehimpules, Gl. (4.40). werden $ \dot{x}^2$ und $ \dot{y}^2$ mittels der Energien $ E_1$ und $ E_2$, Gln. (4.38) und (4.39), eliminiert; ebenso $ \dot{x}$ mittels des Drehimpulses, Gl. (4.40).

$\displaystyle \frac{2 E_2}{m}  x^2  -  \frac{2 E_1}{m}  y^2  -  \frac{2 L}{m}  x \dot{y}  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{L^2}{m^2}  ; \quad z =: \dot{y};$ (442)
$\displaystyle \alpha  x^2 \hspace{2mm} - \hspace{5mm} \beta  y^2 \hspace{2mm} - \hspace{4mm} 2 \gamma x z  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{L^2}{m^2};
\quad \alpha, \beta, \gamma  >  0.$  
$\displaystyle \left( x   y   z \right)
\underbrace{\left( \begin{array}{ccc...
...{array} \right)}_{M}
\left( \begin{array}{cc} x  y  z\end{array} \right)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  $   const.  

Im dreidimensionalen Unterraum $ x, y, z = \dot{y}$ stellt dieses Polynom ein einschaliges Hyperboloid dar. Auch dies wird wieder durch Hauptachsentransformation der Matrix M gezeigt.
$\displaystyle det \big(M - m  I \big)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle \
\left\vert \begin{array}{ccc} \alpha - m & 0 & \gamma  0 & \...
...t \begin{array}{cc} \alpha - m & \gamma  \gamma & - m \end{array} \right\vert$  
$\displaystyle  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  (\beta - m) [m^2 - \alpha  m - \gamma^2]  =  0.$  

Daraus ergeben sich die Eigenwerte und Eigenvektoren :
    $\displaystyle m_1 = \beta  >  0;
\qquad m_{2,3}  =  \frac{\alpha}{2} \pm W,...
... := \sqrt{\frac{\alpha^2}{4} + \gamma^2} ;
\qquad m_2  >  0,   m_3  <  0.$  
    $\displaystyle \vec{e_1}  =  \left(0,1,0 \right), \qquad
\vec{e_2}  =  \left...
...ght), \qquad
\vec{e_3}  =  \left(1,0, \frac{1}{2 \gamma}(\alpha + W) \right).$  

Da zwei Eigenwerte positiv und einer negativ ist, ist die durch Gl. (4.42) definierte Fläche ein einschaliges Hyperboloid; dessen Achse ist durch den Vektor $ \vec{e}_3 $ gegeben und liegt in der $ x, \dot{y} = z$-Ebene.

Zu Gl. (4.42) wird noch der Energiesatz $ E_2$, Gl. (4.39), hinzugenommen. Dieser stellt einen elliptischen Zylinder parallel zur $ x$-Achse dar. Das Hyperboloid umschließt den Zylinder wie eine schief sitzende Halskrause und berührt ihn längs einer Kurve, der Bahnkurve (s. Abb. 4.10).

Abbildung: Die Zylinderfläche entspricht $ E_2$, Gl. (4.39); das Hyperboloid, dessen Achse ebenfalls eingezeichnet ist, Gl. (4.42). Die beiden Flächen berühren sich in der Bahnkurve.
\includegraphics[scale=0.82]{k4_zyl_hyperbol}

Anisotroper harmonischer Oszillator

Wir nehmen nun an, daß die Federn in x-Richtung eine andere Direktionskraft aufweisen als die in y-Richtung (s. Abb. 4.8(b)). Bei einer Elongation der Masse aus der Ruhlage ist die rücktreibende Kraft meist nicht mehr auf das Kraftzentrum $ (0,0)$ gerichtet. Die Bewegungsgleichungen lauten dann:
$\displaystyle m\ddot{x}$ $\displaystyle =\;  - D_{1}x, \quad \ddot{x} + \omega_{1}^{2}x$ $\displaystyle = \;\:0 ,$  
$\displaystyle m\ddot{y}$ $\displaystyle =\;  - D_{2}y, \quad \ddot{y} + \omega_{2}^{2}y$ $\displaystyle = \;\:0   .$ (443)

$\displaystyle \omega_{1} := \sqrt{\frac{D_{1}}{m}}, \quad \omega_{2} := \sqrt{\frac{D_{2}}{m}}   .$ (444)

Die allgemeine Lösung ist:
$\displaystyle x = C_{1} \cos(\omega_{1} t) + C_{2} \sin(\omega_{1} t) = A_{1} \cos(\omega_{1}
t + \varphi_{1})   ,$      
$\displaystyle y = C_{3} \cos(\omega_{2} t) + C_{4} \sin(\omega_{2} t) = A_{2} \cos(\omega_{2}
t + \varphi_{2})   .$     (445)

Die Gesamtenergie ist:

$\displaystyle E = \frac{m}{2}\left(\dot{x}^{2}+\omega_{1}^{2}x^{2}\right) + \fr...
...t) = \frac{m}{2} \omega_{1}^{2}A_{1}^{2} + \frac{m}{2}\omega_{2}^{2}A_{2}^{2} =$   const. (446)

Abbildung: Entstehung einer Lissajous-Kurve mit Frequenzverhältnis 1:2.
\includegraphics[width=14.3cm]{k4_lissajous}
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses berechnet man direkt aus den Bewegungsgleichungen:

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccc} \left.
\begin{array}{ccc}
m \ddot{x} & = ...
...ay}{c}
\cdot y \cdot x
\end{array} \right \}
& -
\end{array}\end{displaymath}


$\displaystyle m(x\ddot{y} - \ddot{x}y) = \frac{d}{dt} m (x\dot{y} - y \dot{x}) =
xy(D_{1} - D_{2})  $      
$\displaystyle \frac{d}{dt}(L_{z}) = xy(D_{1} - D_{2}) \;\stackrel{\mbox{ \tiny i. a.}}{\ne}\; 0  .$     (447)

Im allgemeinen ist der Drehimpuls nicht erhalten. Das hängt mit dem Fehlen der radialen Symmetrie zusammen.

Es sind nun zwei Fälle möglich, je nachdem ob die Frequenzen kommensurabel oder nicht kommensurabel sind.

Das Verhältnis der Frequenzen ist rational.

$\displaystyle \omega_{1} : \omega_{2} = n : m   , \quad n,m  \in  {\mathbb{N}}   .
$

Die Elimination der Zeit führt hier auf eine Kurvengleichung, die ein Polynom in $ x$ und $ y$ ist; die Bahn ist eine algebraische Kurve: Lissajous-Kurven. Physikalisch: Es existiert ein kleinstes gemeinsames Vielfaches von $ n$ und $ m$, d.h. nach einer gewissen Zeit befindet sich der Massenpunkt wieder am Ausgangspunkt $ \Longrightarrow$ geschlossene Kurven, z.B. Abb. 4.11.

Das Verhältnis der Frequenzen ist nicht rational.

$\displaystyle \qquad \omega_{1} : \omega_{2}  \in  {\mathbb{R}}  \backslash  {\mathbb{Q}}  .
$

Die Frequenzen haben kein kleinstes gemeinsames Vielfaches, daher kehrt die Kurve nicht an den Ausgangspunkt zurück. Sie erfüllt allmählich das ganze umschriebene Rechteck mit den Seitenkanten $ 2(C_{1}^{2}+C_{2}^{2})^\frac{1}{2}
= 2 A_{1} $ bzw. $ 2(C_{3}^{2}+C_{4}^{2})^\frac{1}{2}= 2 A_{2}$, (s. Abb. 4.12(b)). Man nennt diese Bewegung fastperiodisch oder mehrfach periodisch (E.: almost periodic, multiply periodic). Doch wird auch für ein Frequenzverhälnis, das zwar rational, aber der Verhältnis zweier großer ganzer Zahlen ist, das Periodenrechteck stark ausgefüllt (s. Abb. 4.12(a)).
Abbildung: (a) Periodische Bewegung mit dem Freqenzverhältnis $ \omega _1 : \omega _2 = 1.6  :  1.677 $. (b) Beispiel einer mehrfach periodischen Bewegung, $ \omega _1 : \omega _2 = 1.6  :  (1 + \sqrt {5} )/2  =  1.6  :  1.6180..  . $ Das harmonische Verhältnis $ (1 + \sqrt {5} )/2  =  1.6180339887498 \ldots $ gilt als ''besonders irrational''.
\includegraphics[scale=0.74]{k4_period_bew}
Nun soll die Darstellung der Dynamik im Phasenraum behandelt werden. Die Lagekoordinaten, Gl. (4.45), und die zugehörigen Impulse können mit Relationen analog zu Gl. (4.14) folgendermaßen geschrieben werden.
$\displaystyle x$ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sqrt{\frac{2E_1}{m \omega_1^2}}  \cos w_1  , \quad
p_x  =  - \sqrt{2m E_1}  \sin w_1  , \quad w_1  =  \omega_1 t + \varphi_1  ;$ (448)
$\displaystyle y  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \sqrt{\frac{2E_2}{m \omega_2^2}}  \cos w_2  , \quad
p_y  =  - \sqrt{2m E_2}  \sin w_2  , \quad w_2  =  \omega_2 t + \varphi_2  .$ (449)

$ x$ und $ p_x$, $ y$ und $ p_y$ stellen in ihren jeweiligen zweidimensionalen Phasenräumen Ellipsen dar, deren Halbachsen durch die Koeffizienten der trigonometrischen Funktionen gegeben sind. Betrachtet man alle vier Variablen $ x, p_x, y, p_y$ als Funktionen zweier unabhängiger Parameter $ w_1$ und $ w_2$, dann stellen diese einen elliptischen Torus dar. Da aber $ w_1$ und $ w_2$ gemäß den obigen Gleichungen Funktionen der Zeit $ t$ sind, liefern die obigen Funktionen eine Raumkurve im vierdimensionalen Phasenraum, die Phasenkurve. Diese muß auf dem Torus liegen. Ist das Frequenzverhältnis rational, $ \omega_1 : \omega_2 \in {\mathbb{Q}} $, dann bildet die Phasenkurve ein diskretes Netz auf dem Torus. Ist es irrational, $ \omega_1 : \omega_2 \in {\mathbb{R}} \backslash {\mathbb{Q}} $, dann überdeckt die Phasenkurve den Torus im Laufe der Zeit vollständig.

Poincaré-Abbildung

Die Poincaré-Abbildung ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Untersuchung der Existenz lokaler Integrale der Bewegung. Diese soll nun am Beispielen des zweidimensionalen anisotropen harmonischen Oszillators erläutert werden. Der Bewegung des Massenpunktes im zweidimensionalen Ortsraum entspricht im vierdimensionale Phasenraum der Ablauf des Phasenpunkts auf der Phasenkurve. Da man den vierdimensionalen Raum nicht darstellen kann, muß man sich mit Projektionen begnügen.
Bei der Poincaré-Abbildung betrachtet man eine Ebene, einen zweidimensionalen Unterraum des Phasenraumes, z.B. die $ x,p_x-$ oder die $ y,p_y-$Ebene. In dieser Ebene werden alle Punkte, an denen die Phasenbahn die Ebene durchstößt, eingetragen; oder die Teilmenge der Durchstoßpunkte, die zu einer bestimmten Geschwindigkeitsrichtung gehören; also die zu $ p_y > 0 $ oder $ < 0$ im ersten Fall, also die zu $ p_x > 0 $ oder $ < 0$ im zweiten Fall. Diese Konstruktion ist in Abb. 4.13 für den zweidimensionalen harmonischen Oszillator dargestellt. Bei kleinen Frequenzverhältnissen ist die Bewegung mit einem entsprechend kleinen kleinsten gemeinsamen Vielfachen periodisch. Diese Zahl und damit die Zahl der Druchstoßpunkte nehmen mit dem Frequenzverhältnis zu, sodaß eine quasikontinuierliche Kurve entsteht. Im nächsten Pragraphen wird gezeigt, daß dies nur der Fall ist, wenn entsprechend viele Integrale der Bewegung, zumindest lokal, existieren; andernfalls füllen die Durchstoßpunkte die Ebene in einem weiten Bereich in unregelmäßiger und chaotischer Weise.


$\displaystyle \hspace{-2cm}\omega_1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle \omega_2$  
$\displaystyle 1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle 1$  









$\displaystyle \hspace*{-2cm}\omega_1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle \omega_2$  
$\displaystyle 1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle 2$  









$\displaystyle \hspace*{-2cm}\omega_1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle \omega_2$  
$\displaystyle 1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle 5$  









$\displaystyle \hspace*{-2cm}\omega_1$ $\displaystyle :$ $\displaystyle \omega_2$  
$\displaystyle =$ $\displaystyle .697$    

Abbildung: Zweidimensionaler harmonischer Oszillator für verschiedene Frequenzverhältnisse $ \omega _1 : \omega _2 $ . Links die Bahnkurve im Orts($ x,y$)-Raum. In der Mitte ist der dreidimensionale Unterraum $ x,y,p_y$ des vierdimensionalen Phasenraumes dargestellt. Der Beobachtungspunkt ist so gewählt, daß die Poincaré-Ebene projizierend ist. Ganz rechts alle (außer in der letzten Zeile) Punkte, in denen die Phasekurve die $ y,p_y-$Ebene durchsetzt.
\includegraphics[width=0.86\textwidth]{k4_harmoszi_poincare}

Das Hénon-Heiles-System. Geordnete und chaotische Bewegung

Ein System, das mathematisch einem nichtlinearen, gekoppelten Oszillator gleicht, ist von Hénon und Heiles untersucht worden:

$\displaystyle \ddot{x}  =  - x - 2 x y, \qquad \ddot{y}  =  - y + y^2 - x^2  .$ (450)

Der erste Term jeder der rechten Seiten gibt eine lineare rücktreibende Kraft, entspricht also einem linearen Oszillator mit der Masse $ m = 1$ und der Kreisfrequenz $ \omega = 1$. Die weiteren Terme geben nichtlineare Koppelglieder.

Das Modell zu den obigen Gleichungen stammt aber aus der Astronomie. Die beiden Autoren untersuchten die Bewegung eines Sterns in dem sehr vereinfachten Modell einer scheibenförmigen Galaxie. Die Kräfte entsprechen dem mittleren Kraftfeld, das die übrigen Massen dieser Milchstraße erzeugen.

Man kann sofort das Potential und die Gesamtenergie angeben. (Dazu wird die erste der obigen Gln. mit $ \dot{x}$, die zweite mit $ \dot{y} $ multipliziert; die resultierenden Ausdrücke werden addiert.)

$\displaystyle V(x,y)  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{1}{2} \left( x^2  +  y^2 \right)  +  x^2 y - \frac{1}{3} y^3  ,$ (451)
$\displaystyle E  $ $\displaystyle =$ $\displaystyle  \frac{1}{2} \left( \dot{x}^2  +  \dot{y}^2 \right)   +   V(x,y)  .$ (452)

Das Potential $ V(x,y)$ ist in Abb. 4.14(a) und 4.14(b) gezeigt. Es entspricht einer ungefähr dreieckigen Potentialgrube, die an gewissen Teilen des Randes von unendlich hohen Bergen begrenzt wird. Zwischen diesen Bergen gibt es aber drei Pässe der Höhe $ V(x,y) = 1/6$. Deren Sattelpunkte sind an den Stellen:

$\displaystyle (0,1), \qquad \left(\frac{1}{2} \sqrt{3}, - \frac{1}{2}\right),  \qquad
\left(-\frac{1}{2} \sqrt{3}, - \frac{1}{2}\right)
$

Abbildung: Das Potential $ V(x,y)$ des Hénon-Heiles-Systems. (a) Das Relief in Perspektive. (b) Diagramm mit Höhenlinien. Die Sattelpunkte sind an den Scheiteln des gleichseitigen Dreiecks, das der Höhenlinie $ V(x,y) = 1/6$ entspricht.
[] \includegraphics[scale=0.73]{k4_hh_pot_relief} [] \includegraphics[scale=0.65]{k4_hh_pot_contur}

Der Wert $ E = 1/6$ begrenzt den Bereich der stabilen Bewegung; für höhere Werte der Gesamtenergie kann der Massenpunkt über einen der Pässe entkommen. Die Untersuchung durch numerische Lösung der Bewegungsgleichungen zeigt, daß die Bewegung für kleine Werte der Energie $ E \ll 1/6$ geordnet und voraussehbar ist. Aber selbst für gebundene Zustände verläuft die Bewegung für eine Energie in der Nähe von, jedoch unter $ 1/6$ meist chaotisch und nicht voraussagbar.

Abbildung: Eine Bahn des Hénon-Heiles-Systems. $ E \approx 0.01 ;  x_0 = 0,  y_0 = .01,  v_{x0} = .141,  v_{y0} = 0. $ (a) Eine Periode. (b) Ungefähr 4 Perioden. (c) Ungefähr $ 125$ Perioden.
[] \includegraphics[scale=0.8]{k4_hh_sys_bahn_1p} [] \includegraphics[scale=0.8]{k4_hh_sys_bahn_4p} [] \includegraphics[scale=0.8]{k4_hh_sys_bahn_125p}
Zuerst ein Beispiel für niedrige Energie und hohe Ordnung: Bei Fehlen der nichtlinearen Terme ist die Bahn eine Ellipse. Die nichtlinearen Terme bewirken, daß diese Ellipse etwas verschoben und verdrückt wird; auch schließt sie sich nicht mehr (Abb. 4.15(a)). Bei den in diesem Beispiel benützten Anfangsbedingungen dreht sie sich ständig weiter, (Abb. 4.15(b)), und füllt allmählich einen Teilbereich der $ xy$-Ebene aus, (Abb. 4.15(c)). Die dreizählige Symmetrie des Potentials tritt dabei klar zu Tage. Diese Drehung führt zu einer periodischen Amplitudenmodulation der $ x$- und $ y$- Koordinate des Massenpunkts, die eine regelmäßige Schwingung mit einer Periode geringfügig größer als $ 2 \pi$ aufweisen, Abb. 4.16. Dies ist nur ein Beispiel, das zu ganz speziellen Anfangsbedingungen gehört. Andere Anfangsbedingungen können zu einer verdrückten Bahnellipse führen, deren Achsen in einem begrenten Winkelbereich hin- und herschwanken.

Abbildung 4.16: Die $ x$- und $ y$-Koordinaten der gleichen Bahn wie in Abb. 4.15.
\includegraphics[scale=0.8]{k4_hh_xy_geordnet}

Abb. 4.17 zeigt eine chaotische Bahnkurve für einen Energiewert $ E = .1617...$, der schon recht nahe am Grenzwert $ E = 1/6 = .16666...$ liegt. Die Bahnkurve ist vollständig unregelmäßig; es ist unmöglich, aus dem bisherigen Verlauf derselben irgendeine Voraussage über den zukünftigen zu machen, außer dieser, daß er weiterhin chaotisch sein wird. Abbn. 4.18 geben die Koordinaten als Funktionen der Zeit. Man sieht unregelmäßige Schwankungen der Periode und der Amplitude. Der Vergleich zwischen den ausgezogenen und den strichlierten Kurven beweist, daß mit hoher Genauigkeit gerechnet werden muß, wenn man für längere Zeiten verläßliche Resultate benötigt. Ein einfacher Test ist, von der Endzeit zur Anfangszeit zurückzurechnen und nachzusehen, ob man dabei wieder bei den Anfangsdaten ankommt; dabei muß man die Geschwindigkeiten der Anfangsdaten für den Rücklauf umkehren. Doch auch für solche hohe Energiewerte kann es spezielle Anfangswerte geben, für die man eine relativ regelmäßige und übersichtliche Bahn erhält.


Abbildung 4.17: Eine chaotische Bahn des Hénon-Heiles-Systems. $ E \approx 0.1617 ;  x_0 = 0,  y_0 = .1,  v_{x0} = .15,  v_{y0} = 0.54 $.
\includegraphics[scale=0.86]{k4_hh_chaot_bahn}

Die wohlgeordnete Bewegung bei niedriger Energie gibt Anzeichen für das Wirken von weiteren Integralen der Bewegung. Hiezu wird wieder die Poincaré-Abbildung herangezogen. $ \dot{x}$ wird aus der Gleichung für die Gesamtenergie, Gl. (4.52), berechnet. Es wird die Ebene $ x = 0$ als die Ebene des Poincaré-Schnitts gewählt. Es werden die Punkte in der $ y,\dot{y}$-Ebene gesucht, in denen die Phasenkurve diese Ebene durchstößt. Diese werden in einem Bereich liegen, der durch die folgende Bedingung festgelegt ist:

$\displaystyle E  \ge  \frac{1}{2} \dot{y}^2  +  V(0,y)  .$ (453)

Abb. 4.19 zeigt die Poincaré-Schnitte für die beiden vorher behandelten Beispiele. Der Schnitt zu niedriger Gesamtenergie führt zu geordneter Bewegung und zu einer geschlossenen Kurve im Poincaré-Schnitt. Bei dem Energiewert, der knapp unter der Bindungsenergie liegt, sind die Bewegung und damit auch die Verteilung der Punkte im Poincaré-Schnitt chaotisch.

Abbildung 4.18: Die $ x$- und $ y$-Koordinaten der gleichen Bahn wie in Abb. 4.17.
\includegraphics[scale=0.8]{k4_hh_xy_chaot}
Variiert man bei geringer Energie, z.B. für $ E = 0.05$, die Anfangsbedingungen, erhält man für jedes System von Anfangswerten eine geschlossene Kurve. Diese Schar von Kurven scheint den ganzen Energiebereich, Gl. (4.53), auszufüllen. Bei höheren Werten, z.B. $ E = 0.11$ , ist ein neues Verhalten zu beobachten. Für gewissen Anfangswerte gibt es eine ungeordnete, chaotische Menge von Schnittpunkten, die alle zu einer Phasenkurve gehören. Phasenpunkte, die zu anfänglich benachbarten Phasenkurven gehören, driften im Laufe der Zeit weit auseinander. Für $ E > 0.11$ sind nur mehr ganz wenige Kurven vorhanden; bei $ E > 0.1666$ sind diese fast vollständig verschwunden.

Abbildung: Poincaré-Schnitte: für (a) geordnete Bewegung, $ E \approx 0.01 $, Abbn. 4.15 - 4.16; für (b) ungeordnete Bewegung, $ E \approx 0.1617 $, Abbn. 4.17 - 4.18.
[] \includegraphics[scale=0.78]{k4_poincare_geord_bew} [] \includegraphics[scale=0.75]{k4_poincare_ungeord_bew}


Abbildung: Poincaré-Schnitte für verschiedene Energien.
[] \includegraphics[scale=0.64]{Iro1} [] \includegraphics[scale=0.64]{Iro2} [] \includegraphics[scale=0.64]{Iro3} [] \includegraphics[scale=0.64]{Iro4}


Solange geschlossene Kurven im Poincaré-Schnitt vorhanden sind, ist dies als ein Hinweis auf die Wirksamkeit von zumindest lokal gültigen Integralen der Bewegung aufzufassen.

Christian Sommer 2003-01-27