Unterabschnitte
Die Bewegung eines Massenpunktes wird oft durch gewisse Bedingungen eingeschränkt
(E.: constrained motion),
die es ihm nicht gestatten, sich im ganzen Raum zu bewegen. Z.B.
kann die Bewegung auf eine vorgegebene Fläche eingeschränkt werden, oder es
kann ein bestimmter Bereich des Raumes unzugänglich sein. In manchen Fällen
lassen sich diese Nebenbedingungen (E.: constraints) analytisch durch Gleichungen oder
Ungleichungen darstellen. Hier werden nur solche betrachtet, die sich durch Gleichungen
der Art
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(61) |
darstellen lassen, d.h. daß sich der Körper auf einer Fläche bewegen muß;
oder durch die beiden Gleichungen
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(62) |
was bedeutet, daß sich der Körper unter dem Einfluß der Nebenbedingungen
auf der Schnittkurve der beiden Flächen bewegen muß. Hier wird immer angenommen,
daß diese Bewegung ohne Reibung abläuft. Die vorhergehenden
Fälle werden meist mit Hilfe von Zwangskräften behandelt. Wenn zwei
Nebenbedingungen die Beweglichkeit auf die Schnittkurve der beiden Flächen
einschränken, dann kann auch eine zweite Methode verwendet werden, bei der
die äußere Kraft auf diese Kurve projiziert wird.
Drei unabhängige
Nebenbedingungen würden eine Bewegung der Masse unmöglich machen.
Zuerst werden zwei Arten von Bewegungsgleichungen, die die Nebenbedingungen berücksichtigen,
abgeleitet. Diese werden dann für das sphärische, das mathematische und das
Zykloidenpendel spezialisiert und exakt gelöst.
Solche nichtlineare Bewegungsgleichungen,
die sich exakt lösen lassen, heißen integrabel. An diesen Beispielen werden wir
einige allgemeine Eigenschaften nichtlinerarer Bewegungen aufzeigen:
- Für verschiedene Energiewerte können ganz verschiedene Typen von Bewegungen auftreten,
S. Tabelle in §6.3.1 und Abb. 6.12.
- Bei Schwingungen hängt in den meisten Fällen die Schwingungsdauer von der Größe des
Maximalausschlags, damit von der Energie ab, s. Abb. 6.10 und Animation im Notebook
K6MathPend2.nb.
Ableitung der Bewegungsgleichungen. Zwangskräfte
Wenn sich ein Körper unter dem Einfluß einer Kraft bewegt, verläuft im allgemeinen
die Bewegung bei Bestehen von Nebenbedingungen anders als bei deren Abwesenheit.
Da jedem Einfluss auf die Bewegung eines Körpers in der Mechanik eine Kraft
zugeschrieben werden kann, wird auch in diesem Fall eine Kraft eingeführt, die für den geänderten Bewegungsablauf verantwortlich ist. Sie heisst
Zwangskraft (E.: reaction force);
man kann sich vorstellen, daß sie durch elastische Deformation der Führungen oder
Lager entsteht. Zum Unterschied heißt die vorgegebene Kraft, , so wie diese
in den früheren Kapiteln verwendet wurde, eingeprägte Kraft
(E.: impressed force).
Man kann nach Definition der Zwangskraft die Bewegung so beschreiben, als ob
sich der Körper frei, aber unter dem Einfluß der Resultierenden der beiden
Kräfte bewegt:
|
(63) |
Die Zwangskraft, , hat zur Folge, daß sie das Verlassen der Fläche, also
Bewegungen senkrecht zur Fläche, verhindert. Man nimmt daher an, daß sie in der
Flächennormalen liegt und daher proportional zum Gradienten der Fläche ist:
grad |
(64) |
ist eine vorläufig nicht bestimmte Funktion der Zeit. Sie heisst
Lagrangescher Multiplikator (E.: Lagrangian multiplier).
Für zwei Nebenbedingungen folgt analog:
grad |
(65) |
Im Falle einer Nebenbedingung hat man also
das sind vier Gleichungen für die vier unbekannten Funktionen
.
Bei zwei Nebenbedingungen hat man:
Das sind fünf Gleichungen für die fünf unbekannten Funktionen
.
Im allgemeinen ist die Lösung dieser Gleichungen, die auch
Lagrangesche Gleichungen 1. Art genannt werden, schwierig, weil
es nur selten gelingt, eine Lösung der Differentialgleichungen an
die Nebenbedingungen anzupassen. Beim sphärischen Pendel ist es aber
bei kleinen Ausschlägen möglich, eine passende Näherungslösung
zu finden, s. §6.3.2.
Das zweite Verfahren ist anwendbar, wenn auf Grund der Nebenbedingungen
bereits eine Raumkurve festgelegt ist, auf der die Bewegung erfolgen muß.
Diese trifft zu, wenn
- zwei unabhängige Nebenbedingungen vorliegen, oder
- der Massenpunkt reibungsfrei auf einer Zylinderfläche gleitet und
die eingeprägte Kraft keine Komponente in Richtung der Erzeugenden hat.
Die Raumkurve sei durch eine Vektorfunktion gegeben, die von einem Parameter
abhängt. Daraus berechnet man den Betrag der Geschwindigkeit und
dessen Zeitableitung gemäß der Kettenregel so wie in Kap.2:
Der Apostroph bezeichnet hier die Ableitung nach . Mittels
(2.6) bis (2.8) - bildet man aus
der vorhergehenden Gleichung die folgende; diese wird dann mit dem normierten Tangenvektor
multipliziert.
ist die Komponente der eingeprägten Kraft in Richtung der Kurventangente.
Mit der vorhergehenden Gleichung und Gl. (6.9) erhält man dann die Bewegungsgleichung:
|
(610) |
Das Zykloidenpendel
Das Zykloidenpendel ist ein Pendel, bei dem sich eine Masse auf einer gemeinsamen
Zykloide (Radkurve) bewegt. Eine Zykloide entsteht, wenn ein Kreis auf einer Geraden
abrollt; dabei erzeugt ein bestimmter Punkt dieses Kreises die Kurve,
s. Abb. 6.1 und Animation im Notebook
K6ZykloidenPend.nb.
Diese Konstruktion (Abb. 6.1) liefert auch die Parameterdarstellung der Zykloide:
|
(611) |
ist der Drehwinkel des Rades, durch dessen Rollen man sich die Kurve erzeugt
denken kann. Er wird unten zur Beschreibung der Bewegung verwendet werden.
Abbildung 6.1:
Der Kreis (hier mit Radius ) rollt auf der ihn oben berührenden Geraden ab.
Der Punkt des Kreises, der am Anfang auf der Geraden liegt, erzeugt die Zykloide.
Mathematica Notebook:
K6ZykloidenPend.nb.
|
Für die tangentielle Kraftkomponente liest man aus Abb. 6.2 ab:
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(612) |
Abbildung 6.2:
Die tangentielle Komponente der Schwerkraft.
|
Für die Ableitungen von x und y nach bzw. nach der Zeit findet man:
|
(613) |
Weiters gilt:
Damit berechnet man weiter:
Damit lautet die Bewegungsgleichung (6.10):
|
(614) |
Mit der Substitution
wird daraus die Schwingungsgleichung
deren zur Anfangsbedingung
gehörige Lösung ist:
Der maximale Ausschlag des Pendels wird mit bezeichnet. Damit erhält man
aus obiger Lösung:
Damit ergibt sich für die Schwingungsdauer des Pendels:
|
(615) |
Das Zykloidenpendel hat also die Eigenschaft, daß seine Schwingungsdauer streng
unabhängig vom Ausschlag ist. Diese Entdeckung stammt von Chr. Huygens (1673).
Im allgemeinen hängt die Schwingungsdauer eines Pendels (allgemeiner: die
einer nichtlinearen Schwingung) von der Größe des maximalen Ausschlags
ab. Im nächsten Paragraphen wird am Beispiel des mathematischen Pendels
gezeigt werden, daß die Schwingungsdauer des
gewöhnlichen mathematischen Pendels für Amplituden über 90^&cir#circ; sehr stark mit
steigendem Ausschlag zunimmt. (Animation im Notebook:
K6MathPend2.nb).
Insofern bildet das Zykloidenpendel eine wichtige Ausnahme
(s. Animation im Notebook:
K6ZykloidenPend.nb).
Das letzte Laufbild und Abb. 6.3 zeigen: Die Bewegung auf der
materiell nicht vorhandenen
Zykloide wird dadurch erzwungen, daß der Faden in seiner Bewegung durch die beiden
grauen Schablonen eingeschränkt wird. Letztere sind die Evolute (= Kurve
der Krümmungsmittelpunkte) der Bahnzykloide und stellen auch eine Zykloide
dar. (Dies ist ein wohlbekannter Satz der Differentialgeometrie.) Diese
Folge von Krümmungskreisen ist in Abb. 6.4 dargestellt;
sie werden als Animation im
Notebook: K6ZykloidenPend.nb)
vorgeführt.
Abbildung 6.3:
Zwei Schablonen in Gestalt zweier Teile einer Zykloide verkürzen den
Pendelfaden immer mehr je höher der Ausschläg. Dann läuft die Masse am
Endes des Fadens auf einer Zykloide. Notebook:
K6ZykloidenPend.nb.
|
Abbildung 6.4:
Jedem Punkt der Zykloide kann ein Krümmungskreis zugeordnet
werden. Deren Mittelpunkte liefern die Evolute. Notebook:
K6ZykloidenPend.nb.
|
Aufstellung der Bewegungsgleichungen. Unterscheidung der
verschiedenen Bewegungstypen mittels Drehimpuls- und Energiesatz
Unter einem sphärischen Pendel versteht man einen an einem masselos gedachten
Faden der Länge aufgehängten Massenpunkt; dadurch kann sich letzterer
nur auf der Oberfläche einer Kugel vom Radius bewegen. Für den Fall, daß
der Massenpunkt bis in die obere Hälfte der Kugel gelangt, muß man sich den Faden
als eine masselose Stange denken.
Legt man den Koordinatenursprung in den Kugelmittelpunkt, erhält man die
Gleichungen:
Mit
erhält man das folgende Differentialgleichungssystem:
|
(617) |
Dieses wird wieder mittels Energie- und Drehimpulssatz reduziert. Zuerst wird
der Energiesatz abgeleitet. Multipliziert man die Gln. (6.17), wie in Kolonne I
angegeben, und addiert, findet man:
Differentiation der Nebenbedingung in Gl. (6.16) zeigt, daß der erste Term
auf der rechten Seite obiger Gleichung Null ist:
Damit ergibt sich aus der vorhergehenden Gleichung der Energiesatz:
const. |
(618) |
Die Erhaltung der z-Komponente des Drehimpulses beweist man, indem man die
ersten zwei Gln. (6.16) multipliziert wie in Kolonne II angegeben und addiert.
const.
Nun werden Kugelkoordinaten mit
const. eingeführt. Damit ergeben sich folgende
Ausdrücke:
Setzt man diese Formeln in den obigen Ausdruck für den Drehimpuls ein, ergibt sich:
const. |
(619) |
Aus den obigen Formeln ergibt sich für das Quadrat der Geschwindigkeit
und damit für den Energiesatz:
const.
Eliminiert man aus dieser Gleichung die Winkelgeschindigkeit
mittels des Drehimpulssatzes, (6.19), erhält man aus dem Energiesatz eine
Differentialgleichung 1. Ordnung für den Winkel :
const.
Diese Gleichung eignet sich besonders zur Bestimmung der verschiedenen Bewegungstypen. Es ist
bequemer mit dimensionslosen Verhältnissen zu arbeiten. So soll die Zeit (bzw. die Kreisfrequenz
in Einheiten von (bzw. ), der Schwingungsdauer (bzw. Kreisfrequenz) für kleine
Schwingungen, Gl. (3.16), gemessen werden. Ebenso werden
statt der Gesamtenergie und der Komponente
des Drehimpulses dimensionslose Verhältnisse und eingeführt:
|
(620) |
Die Einführung dieser dimensionslosen Parameter reduziert die Zahl der zu untersuchenden
Größen beachtlich. Das System wird durch 2 Parameter und beschrieben;
diese werden zu dem einen wesentlichen, nämlich , zusammengefaßt.
Von den 6 Anfangswerten und
sind wegen der Nebenbedingung
und der daraus folgenden Bedingung
nur 4 unabhängig. An deren Stelle treten die zwei
wesentlichen Parameter
und zwei unwesentliche, z.B.
und .
Aus den obigen Gleichungen (6.20) ergeben sich folgende Bewegungstypen:
Die Typen der Bewegung des sphärischen Pendels
Fall a) entspricht den verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten des mathematischen Pendels und
gibt nur Bewegungen des Massenpunktes auf einem (oder Teilen eines) vertikalen Kreises in der
Ebene
. In diesem Fall ist es zweckmässiger, statt des Polarwinkels
den Winkel einzuführen, der von der negativen -Achse, d.i. von der
Ruhelage des Pendels, aus gezählt wird.
Abbildung 6.5:
Die Typen der Bewegung eines ebenen
Pendels. Notebook: K6MathPend1.nb.
|
Abbildung:
Die Bewegung des sphärischen Pendels bei
. Links: Die schwarzen
Breitenkreise markieren die zuläßige Zone. Rechts: Teil einer realen Bahn. Die
erste Periode wurde rot, die zweite blau strichliert gezeichnet.
Notebook: K6SpherPend1.nb.
|
Auflösen der Gl. (6.20 (b)) mit
nach
und Einführen von gibt:
|
(621) |
Die Nullstellen des Radikanden sind die Umkehrpunkte; in der
-Ebene sind dies die Schnittpunkte der Kurve
mit den
horizontalen Geraden
. Von diesen ausgehend sucht man den
Bereich, in dem
ist (s. Abb. 6.5) .
Im Falle b) (
) gibt es nur einen einzigen Bewegungstyp:
Der Massenpunkt bewegt sich in einer Kugelzone
(s. Abb. 6.6).
Den Eintritt in die beiden Polkappenbereiche
und
verhindert
die Fliehkraft. Die Energie auf der linken Seite von Gl. (6.20 (b)) ist eine endliche
Konstante, der zweite Term auf der rechten Seite würde als einziger für
oder
gegen Unendlich
streben. Die Vermeidung dieses Widerspruchs führt zur eben erwähnten Einschränkung.
An
und
ist
.
und
sind die Wurzeln der Gl. (6.20 (b))
für
.
Dabei gibt es auch einen Spezialfall ebener Bewegung: Der
Massenpunkt läuft auf einem Breitenkreis:
const. |
(622) |
Für die weitere qualitative Diskussion und für die analytische und numerische
Behandlung ist es zweckmässig, in Gl. (6.20 b)) folgende
Substitution der abhängigen Variablen vorzunehmen:
und den resultierenden Ausdruck nach aufzulösen. Dadurch wird
die zu diskutierende Gleichung aus einer transzendenten in eine Polynomgleichung verwandelt.
Der physikalische Bereich von ist definiert durch die simultanen Bedingungen:
Er wird von zwei Nullstellen des Polynoms begrenzt. Diese werden willkürlich
als
und
bezeichnet.
Zuerst wird nochmals der Fall des ebenen Pendels betrachtet:
|
(625) |
Zur besseren Einsicht in das Verhalten der Funktion suchen wir deren Extrema auf:
Aus den obigen Gleichungen und aus Abb. 6.7 ersieht man:
Maximum: |
für |
|
|
Minimum: |
für |
|
|
|
für |
|
|
Abbildung 6.7:
Die Extrema des Polynoms
in Ihrer
Abhängigkeit vom dimensionlosen Energieparameter
.
Notebook: K6SpherPlanePend.nb.
|
Abbildung:
Links: Die Typen des Polynoms . Rechts unten: Das Bild für
ergibt sich, indem man die -Achse um
nach oben verschiebt.
Rechts Mitte: Bei diesem Wert von berührt die Kurve von gerade
die -Achse:
. Notebook:
K6SpherPlanePend.nb.
|
Aus Gl. (6.25) ersieht man die Wurzeln der Gleichung
, aus den
Resultaten (6.26)
den qualitativen Verlauf von zwischen den Nullstellen. Es gibt entsprechend den
Typen a) der oben angegebenen Tabelle vier Typen von Diagrammen, s. Abb. 6.8.
Man erhält das Diagramm für und damit die Wurzeln der Gleichung
aus dem für , indem man die -Achse um
nach oben verschiebt.
Man sieht aus Abb. 6.8 rechts unten:
Im speziellen Fall
geht die -Achse durch das Maximum
. Daher ist der Polarwinkel des entsprechenden Breitenkreises durch den Wert
der Energie (bzw. von
) festgelegt (
).
Lineare Näherung für kleine Schwingungen
Für kleine Schwingungen bleibt der Massenpunkt in der Nähe der Ruhelage, der
Polarwinkel dann nahe bei , der Winkel nahe bei 0. In der linearen
Näherung werden im Ausdruck der Kraft (des Potentials)
Glieder höherer als erster (zweiter) Ordnung in vernachlässigt:
Der Fall ebener Bewegung () wurde in §12.2.2
bereits behandelt (dort
);
es ergaben sich harmonische Schwingungen der Kreisfrequenz und der
Schwingungsdauer , Gl. (6.20a).
Bei sphärischer Bewegung (
) ist in der lineren Näherung
näherungsweise konstant, die zugehörige Beschleunigung Null;
der Lagrange Multiplikator
(nicht zu verwechseln mit dem dimensionslosen Drehimpulsparameter, Gl. (6.20c)
kann aus der dritten Gl. (6.17) berechnet
und in die ersten beiden Gleichungen (6.17) eingesetzt werden:
Die Lösungen sind harmonische Schwingungen der Schwingungsdauer , Gl. (6.20a).
Die beiden Bewegungsgleichungen für die entsprechen denen des zweidimensionalen, isotropen
Harmonischen Oszillators. In §4.1.2 wurde bereits
gezeigt, daß dessen Bahnkurve im allgemeinen
eine zentrische Ellipse ist; die Länge und Lage der Halbachsen derselben hängen von den
Anfangsbdingungen ab. Für geeignete Anfangsbedingungen kann man diese Näherungslösung
schreiben als:
|
(627) |
Abbildung:
Projektion der Bahn eines sphärisches Pendel mit kleiner Schwingungsamplitude,
2^&cir#circ;
6^&cir#circ;. Die Kreise sind die Projektionen der
entsprechenden Breitenkreise. Die Kreisstücke aussen sind Teile der Projektion
des Äquators
90^&cir#circ;. Notebook:
K6SpherPend1.nb.
|
Strenge Lösung der Bewegungsgleichungen mittels elliptischer
Integrale
Die Bewegungsgleichungen des sphärischen und des mathematischen Pendels können
exakt mittels elliptischer Integrale und Funktionen gelöst werden. Dies
soll in diesem Paragraphen vorgeführt werden.
a1) Schwingung:
Um das Verständnis der bei der Lösung der nichtlinearen Differentialgleichung
auftretenden elliptischen Integrale und Funktionen zu erleichtern, werden im
folgenden der lineare und der nichtlineare Fall nebeneinander nach der gleichen
Methode behandelt. (
Gl. (6.20a)
Exakte Gleichung
|
Der maximale Ausschlag
ergibt sich für
daraus wird die
Integrationskonstante bestimmt.
Der Zusammenhang mit
folgt aus Gl. (6.21).
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(628) |
|
In der letzten Zeile muß das Vorzeichen immer passend gewählt werden. Beim maximalen
Ausschlag des Pendels,
ist der Radikand
Null, das Pendel ändert seine Schwingungsrichtung, die Wurzel ihr Vorzeichen. Die obigen
Differentialgleichungen können durch Separation gelöst werden. Man erhält die
folgenden Integrale zur Anfangsbedingung
|
(629) |
Das linke Integral lässt sich elementar ausführen; das rechte muß durch
folgende Substitution auf die Normalform für elliptische Integrale gebracht werden.
Damit wird aus dem Integral in (6.29):
Exakte Gleichung
|
Beide Integrale geben die der momentanen Lage des Pendels entsprechende
Zeit als Funktionen zweier Veränderlicher. Links sind dies der maximale Ausschlag
und der momentane Ausschlag , rechts ist die Abhängigkeit von
diesen beiden Variablen etwas komplizierter.
ist das unvollständige
elliptische Integral erster Gattung; es ist eine Funktion zweier unabhängiger
Variablen, des Moduls und der Amplitude . wird durch den Maximalausschlag
festgelegt (oder gleichwertig auch die durch die Gesamtenergie bzw.
).
Die Amplitude hängt vom momentanen Ausschlag und vom maximalen ab.
In der neueren Literatur (Abramowitz-Stegun) und auch in Mathematica wird statt des
Moduls der Parameter
verwendet.
Die Periode der Schwingung ist die Zeit für eine Bewegung von 0 bis
:
K(k) heisst vollständiges elliptisches Integral erster Gattung vom Modul .
Damit schreibt man die Schwingungsdauer des Pendels für beliebige Ausschläge
Abbildung 6.10:
Das vollständige elliptische Integral K und die relative
Schwingungsdauer in Abhängigkeit vom halben Maximalausschlag
. Die Amplitudenabhängigkeit der Frequenz wird im
Notebook K6MathPend2.nb simuliert.
|
Man sieht, daß die Schwingungsdauer mit zunehmendem Maximalausschlag zunimmt, Abb. 6.10.
Für
ist und T ist endlich.
Für
ist und T ist unendlich; das Pendel schwingt nach
oben, bis es verkehrt lotrecht steht. Dazu benötigt es aber unendlich lange
Zeit. Diese Tatsachen folgen aus den Eigenschaften des vollständigen
elliptischen Integrals erster Gattung, Abb. 6.10. Für dieses erhält man die obige
Reihenentwicklung, indem man den Integranden in eine (für absolut und
gleichmässig konvergente) Binomialreihe entwickelt und dann gliedweise integriert:
Für divergiert das Integral, die Schwingungsdauer wird unendlich.
K |
(633) |
Um den Ausschlag als Funktion der Zeit zu erhalten, muß man Gl. (6.29) nach der
Zeit auflösen. Links ist dies einfach, rechts wird dies in zwei Schritten
ausgeführt. Zuerst drückt man die obere Grenze des Integrals als Funktion der
Zeit aus. Die dabei auftretende transzendente Funktion heißt die Jacobische
Amplitude
am Abb. 6.11. Aus dem Integral (6.34),
das das elliptische Integral 1. Gattung definiert,
ersieht man, daß für kleine das Produkt
ist.
Für nahe bei 1, also nahe bei 180^&cir#circ; überlagert sich noch eine
mit periodische wellige Kurve.
Im zweiten Schritt bildet man den Sinus und erhält die
Funktion
snam (sn = Sinus amplitudinis).
Exakte Gleichung
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(634) |
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am |
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|
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am sn |
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sn |
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sn |
(635) |
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Für nicht zu nahe bei (nicht zu große Maximalausschläge ) sieht
die Funktion sn wie ein gewöhnlicher Sinus aus, nur hat sie die Periode 4K
statt , Abbn. 6.11 und 6.12. Für nahe bei wird der sn eckiger.
(Durch die Wahl der Abszisse K werden die sn für verschiedene Werte von
vergleichbar.)
sn für reelle Argumente.
Deswegen oszilliert in Gl. (6.35) zwischen
und .
Wegen seiner Periodizität kann sn in eine Fourierreihe entwickelt werden.
sn |
(636) |
mit dem Nome:
Abbildung 6.11:
Links: Die Jacobische Amplitudenfunktion für verschiedene Werte des
Maximalausschlags . Rechts: Die Jacobische elliptische Funktion sn
für verschiedene Werte des Maximalausschlags . Man beachte, daß
als Abszisse gewählt ist, damit die Kurven in ihrer Gestalt
vergleichbar sind. Notebook: K6MathPend2.nb.
|
Abbildung:
Die Typen von Bewegungen eines ebenen Pendels () als Funktion der
Zeit. Als Abszisse dient , um die unterschiedliche Länge der Perioden sichtbar
zu machen. Notebook: K6MathPend2.nb.
|
In Abb. 6.12 wird eine Schwingung mit mäßigen Maximalausschlag
(
, lineare Näherung
noch brauchbar) mit einer Schwingung mit Maximalausschlag
des gleichen Pendels
verglichen. Man sieht, wie letztere wegen der längeren Periode hinter der
ersteren zurückbleibt.
a2) Grenzfall:
Das Pendel besitzt soviel Energie, daß es bis zur Vertikalen ausschwingen kann,
wenn auch mit unendlich langer Periode, Gln. (6.30) und (6.33).
Dieser Fall ist
mit elementaren Funktionen lösbar. Aus (6.28) folgt mit der Anfangsbedingung
a3) Rotation :
Das Pendel rotiert, daher nimmt ständig zu (oder ab). Aus (6.21)
gewinnt man wieder eine Differentialgleichung, die durch Separation gelöst werden
kann. Der dabei auftretende Wurzelausdruck wird wieder durch eine Umformung und eine
Variablensubstitution auf die Standardform des elliptischen Integrals erster
Gattung gebracht:
mit dem Modul und der Amplitude :
und
Mit der Anfangsbedingung
,
ergibt sich:
|
(639) |
Für die Hälfte einer Umlaufperiode , innerhalb derer der Massenpunkt vom
tiefsten bis zum höchsten Punkt läuft, findet man:
Um als Funktion der Zeit zu bekommen, muß man Gl. (6.39) nach auflösen.
Die zu inverse Funktion ist die Jacobische Amplitudenfunktion am; diese besteht aus einem
linearen und einem mit
periodischen Anteil
(Abb. 6.11, Links),
mit dem Nome wie in (6.37). Damit bekommt man aus Gl. (6.39) eine Lösung,
die genau die in der Geschwindigkeit mit der Periode schwankende Rotation beschreibt:
am |
(642) |
Abb. 6.12 zeigt auch den zeitlichen Verlauf der ebenen Pendelbewegung im Grenzfall
(
,
) , für schnelle
und langsame
Rotation.
b) Räumliche Schwingung zwischen zwei Breitenkreisen
Abgesehen von den Spezialfällen
und
sind die drei Wurzeln des Polynoms ,
Gl. (6.24), paarweise verschieden. Wegen
und
ist .
ist bekannt, sobald und gefunden worden sind; wofür meist
ein numerisches Verfahren verwendet wird. Der physikalisch zulässige Bereich
von
ist durch die folgenden Bedingungen
gegeben. In diesem wird Gl. (6.23) auf die Normalform des elliptischen
Integrals erster Gattung gebracht durch folgende Substitution:
|
(643) |
Die Schwingungsdauer ist 4-mal die Zeit zwischen dem untersten und dem
obersten Punkt der Bahn:
|
(644) |
Die Umkehrung des elliptischen Integrals in Gl. (6.43) geht analog
wie nach Gl. (6.34):
Die Änderung von mit der Zeit oder dem Hilfswinkel berechnet man aus
dem Drehimpulssatz (6.20c) zusammen mit der Lösung (6.45) oder
der obigen Substitution für .
Das letzte Integral kann durch elliptische Integrale dritter Gattung dargestellt werden:
Da deren Berechnung manchmal schwierig ist, kann es einfacher, wenn auch
langsamer, sein
durch numerische
Integration des obigen Integrals (6.46) zu bestimmen. Dies wird erleichtert durch die
Symmetrieeigenschaften:
Einer vollen Periode in der Zeit entspricht ein Zuwachs der Hilfsvariablen
von 0 bis . Deswegen ist der Zuwachs von in einer Periode:
Die numerische Auswertung zeigt, daß
sehr klein ist für kleine
Schwingungen (vgl. Gl. (6.27) und Abb. 6.9).
Für Schwingungen endlicher
Amplitude ist
; dies gibt einen Zuwachs des Azimuts eines
bestimmten Punktes (z.B.
im Laufe einer Periode
(s. Abbn. 6.13 und 6.14). Daher ist im allgemeinen die Bewegung nicht
periodisch sondern mehrfach periodisch. Es gibt aber Ausnahmefälle streng periodischer
Bewegung, s. Animationen im Notebook:
K6SpherPend2.nb.
Abbildung 6.13:
Polarwinkel , Zeit und Azimuth eines sphärisches Pendels
als Funktionen des Hilfswinkels .
Notebook: K6SpherPend1.nb.
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Abbildung 6.14:
Projektion der räumlichen Schwingung eines sphärischen Pendels auf die
-Ebene.
. Die erste Periode wurde
rot, die zweite blau strichliert gezeichnet. Die perspektivische Darstellung dieser
Bahnkurve wurde bereits in Abb. 6.6
gezeigt. Notebook: K6SpherPend1.nb.
|
Christian Sommer
2003-01-27